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Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Titel: Jamey. Das Kind, das zuviel wußte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Blocks, am Straßenrand saßen vor sich hin dämmernde Clochards. Als ich auf das Haus zuging, balancierte ich über Flaschen, Bierdosen und Hundekot. Die Türen aus rostigem Eisen waren verzogen und an den Rändern ausgefranst, sie saßen wie Geschwüre in der verwitterten Backsteinfassade der ehemaligen Fabrik. Durch das Gemäuer zog sich ein Band aus Beton. Dort war eingeritzt »Pelta Thread Company, 1923«. Die Buchstaben waren beschädigt und voller Taubendreck. Rechts von der Tür entdeckte ich zwei Knöpfe, daneben zwei kleine Rahmen für Türschilder. Der erste war leer, in dem zweiten las ich mit Maschine geschrieben »R. Bogdan«. Ich drückte auf beide Klingeln, aber niemand reagierte, ich versuchte, die Tür zu öffnen, die jedoch verschlossen war. Ich fuhr mit dem Wagen in den Hinterhof, fand dort einen Eingang wie an der vorderen Fassade. Aber auch hier war die Tür verschlossen. Ich gab auf und fuhr nach Hause.
    Jameys Unterlagen aus Canyon Oaks waren mit der Post gekommen. Ich schloss sie in meinen Schreibtisch ein und nahm Souzas Scheck heraus. Ich steckte ihn in einen Umschlag, frankierte ihn und joggte zum nächsten Briefkasten, um ihn endlich los zu sein. Um halb vier rief mich einer von Robins Mitarbeitern an, um mir zu sagen, dass Billy Orleans in der Stadt sei und bis fünf in Robins Werkstatt bliebe. Danach könnten wir zusammen essen gehen. Ich zog Jeans und ein Hemd an und fuhr nach Venice.
    Robins Werkstatt sieht von außen recht unscheinbar aus. Sie liegt in der Pacific Avenue, nicht allzu weit vom Oakwood-Getto entfernt. Außen sind die Wände mit Graffiti von verschiedenen Gangs bemalt, die Fenster sind weiß überstrichen. Jahrelang hatte sie im oberen Stockwerk gewohnt, in einer hübschen, selbst eingerichteten Wohnung. Es war nicht ganz ungefährlich für eine Frau dort ganz allein, aber es war für sie ein Zeichen ihrer Unabhängigkeit gewesen. Inzwischen war dort eine Alarmanlage installiert, Robin teilte mein Bett mit mir, und seitdem konnte ich nachts ruhiger schlafen.
    Die hinter dem Haus gelegenen Parkplätze waren beide von einem großen weißen Lincoln belegt, mit geschützten Fenstern, weißen Wänden wie bei Gangstern und einer Fernsehantenne auf dem Heck. Gegen den Wagen gelehnt stand ein Bodyguard, der sicher seine dreihundert Pfund wog. Er war um die fünfzig, hatte sandbraunes Haar, ein sonnengebräuntes bulldoggenähnliches Gesicht und einen weißen Schnurrbart. Er trug weite Hosen, Sandalen und ein ärmelloses Trikothemd, das beinahe platzte. Die Arme, die er über der Brust gefaltet hielt, hatten Form und Farbe zweier Schinken.
    Ich hielt an und suchte nach einem Abstellplatz für meinen Wagen. Aus dem Atelier drangen dumpfe, tiefe, rhythmische Klänge.
    »Hallo«, rief der Bodyguard freundlich, »sind Sie der Seelenklempner-Freund?«
    »Ja, das bin ich.«
    »Ich bin Jackie. Ich sollte nach Ihnen Ausschau halten. Lassen Sie doch Ihren Wagen hier einfach stehen, und lassen Sie den Schlüssel drin, ich kümmere mich schon drum.«
    Ich dankte ihm und betrat das Atelier durch die Hintertür.
    Es roch wie immer nach Lärchenharz und Sägemehl. Das Geräusch von Säge und Bohrmaschine war diesmal durch donnernde Akkorde und lauten, ein wenig krächzenden Gesang ersetzt worden, die von jedem Balken und jedem Brett widerhallten.
    Ich ging in den Raum, in dem die Testverstärker standen, und sah Robin, eine staubige Schürze über ihren Arbeitskleidern, einen Kopfhörer in den Locken. Sie sah einem hageren Mann zu, der wild auf einer raketenförmigen, über und über mit Silber und Glitter bedeckten elektrischen Gitarre herumspielte. Jedes Mal, wenn das Plektron die Saiten berührte, blitzte das Instrument auf und funkelte, und wenn der Mann auf einen gleich neben dem Steg angebrachten Knopf drückte, ertönte das Geräusch eines Raumschiffs, das gerade die Abschussrampe verlässt. Die Gitarre war an zwei riesige Verstärker angeschlossen, die auf größte Lautstärke gestellt waren. Das Instrument schrie und jaulte, während der hagere Mann auf dem Griffbrett hin und her fuhr. Die Fensterscheiben klirrten, und meine Ohren fühlten sich an, als explodierten sie gleich.
    Als Robin mich sah, winkte sie mir zu. Ich konnte nicht verstehen, was sie sagte, las aber auf ihren Lippen, als sie mir entgegenkam, ein »Hallo, Liebling«. Der hagere Mann war ganz in seine Musik vertieft und hielt die Augen geschlossen. Es dauerte eine Weile, bis er mich bemerkte. Er ließ seine rechte Hand

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