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Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Titel: Jamey. Das Kind, das zuviel wußte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Schmerz überwunden, sodass er die Dinge objektiv beurteilen konnte? Ich überlegte hin und her, ohne zu einem Ergebnis zu kommen. Diese Ereignisse lagen alle weit zurück, und ich hatte große Zweifel, dass sie etwas mit Jameys Notlage zu tun hatten.
    Ich sah mir noch weitere Mikrofilme an. Ich fand nichts über eine Verbindung von Peter Cadmus mit Margaret Norton, genannt Margo Sunshine. Dwights Heirat mit Heather Palmer hingegen hatte einiges Aufsehen erregt, obwohl die Feier in Palo Alto stattgefunden hatte. Die Braut hatte einen ziemlich bedeutenden Stammbaum. Ihre Mutter war Mitglied der DAR {3} gewesen, ihr Vater war als Diplomat in Kolumbien, Brasilien und Panama gewesen, wo auch die spätere Mrs. Cadmus zur Welt gekommen war. Aber das wusste ich alles schon.
    Ich gab die Filme zurück und verließ die Bibliothek um Viertel vor vier. Der Verkehr in die Innenstadt ist zu dieser Zeit immer zähflüssig, diesmal aber stockte er vollkommen. Straßenarbeiter in orangen Westen rissen den Asphalt auf - irgendein Unternehmer musste gute Beziehungen zum Rathaus haben -, überall waren in beinahe sadistischer Willkür Umleitungsschilder angebracht. Die halbe Meile bis zur Los Angeles Street kostete mich vierzig Minuten, und als ich dort ankam, war ich aggressiv und angespannt. Die richtige Haltung, um mir Kunst im New-Wave-Stil anzusehen.
    Die Fassade von Voids will be Voids war ein Stockwerk hoch, mit einer dünnen Schicht Schwarz gestrichen, das eher wie schwarz geädertes Grau wirkte. Die Art, wie der Name geschrieben war, schien mir ein Beispiel für Antischrift zu sein, schwarze krakelige Buchstaben auf türkisfarbenen, die Fenster bedeckenden Sperrholzplatten, von Schmutz überkrustet. In den übrigen Gebäuden der Straße waren Kleidergroßhändler untergebracht, und vor ihrer Berufung zu künstlerischen Zwecken schien mir auch die Galerie als Discount-Shop gedient zu haben. Die meisten Läden waren zu oder schlossen gerade, düstere Fassaden hinter Metallgittern. Einige waren noch offen und hatten, um Geschäftemacher anzulocken, die Gehsteige mit Kleiderständern voller billiger Klamotten zugestellt. Ich stellte meinen Wagen auf einem u-förmigen Parkplatz ab und betrat die Galerie.
    Mir fiel sofort die hässliche, völlig unausgewogene Einrichtung auf. Der Boden war mit schmutzigem Linoleum ausgelegt, überall lagen Zigarettenstummel, ein Geruch von alten Kleidern lag in der Luft. Die Decke war niedrig und mit einer Farbe gestrichen, die an verschimmelten Hüttenkäse erinnerte. Die angeblichen Kunstwerke hingen hier und da von unverputzten Wänden herab, von oben fiel aus Beleuchtungsröhren fluoreszierendes Licht darauf, manche Objekte waren hell, andere lagen im Dunkeln. Aus primitiven Stereoboxen drangen Klänge, die sich wie Paarungstänze von Robotern anhörten, Quietschen und Gewinsele von Synthesizern, dazu unregelmäßiges Schlagen einer Metalltrommel. In der hinteren rechten Ecke saß ein Mann hinter einem Pult, der vor sich hin träumte und Zeitungsartikel ausschnitt. Er hatte mich gar nicht bemerkt.
    Das Zeug an der Wand war grob und hässlich, es fehlte jede höhere Inspiration. Sicher würden ein paar Kunstkritiker darin eine urtümliche, bedeutungsvolle Rohheit und pulsierende jugendliche Feindseligkeit erkennen, mein ungeübtes Auge erkannte nichts als das, was David Krohnglass schon vermutet hatte: Kunst in der Art von »Des Kaisers neue Kleider«.
    Von einem gewissen Scroto hing eine Serie von Bleistiftzeichnungen an der Wand, Strichmännchen und grobe Linien. Die Bilder waren auf dem Entwicklungsstand eines vierjährigen Kindes, allerdings hatte ich noch kein Kind dieses Alters getroffen, das munter und fröhlich Raub und Körperverletzung von Straßengangs gemalt hätte. Die Zeichnungen waren auf weichem, billigem Papier angefertigt, so dünn, dass es an manchen Stellen gerissen war. Vielleicht war es künstlerische Absicht, wer weiß. Die Rahmen waren prächtig - vergoldet und verziert, wie im richtigen Museum.
    Eine zweite Serie waren Porträts von Männern mit Kegelköpfen in Acrylfarben. Ihr Gesichtsausdruck war idiotisch, und sie besaßen alle einen riesigen Penis in Salamiform. Der Künstler nannte sich Sally Vador Deli und hatte das L mit einer kleinen grünen Gurke dargestellt. Neben den Salamimännern stand eine Skulptur aus einer Aluminiumstange, die offenbar von einem Schiffsmast stammte. Sie war mit Papierschnitzeln und Drahtstücken verziert und hieß Arbeitsmoral. Darüber

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