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Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Titel: Jamey. Das Kind, das zuviel wußte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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hing eine riesige mit Schellack überzogene Collage aus Zeitungsschnipseln, vor allem Pornoausschnitte aus dem Hustler.
    Gary Yamaguchis Werke befanden sich im hinteren Raum. Er nannte sich als Künstler Garish, und seine Bilder waren zumeist Szenerien mit Barbie- und Ken-Puppen sowie bestimmten Gegenständen, die vor einem Hintergrund aus durchsichtigem Plastik arrangiert waren. Auf einem war ein amerikanisches Durchschnittsehepaar dargestellt, das in der Bauchhöhle eines verfaulten Fisches sitzt, in dem es von Maden wimmelt. Untertitelt war es Heute gehen wir in Japtown essen: Sashimi Trashimi. Ein weiteres Bild zeigte zwei Puppenpärchen, die ohne Kopf in einem roten Cabriolet saßen, die vier Köpfe waren sorgfältig auf der Motorhaube aufgereiht, eine große pilzförmige Wolke färbte den Hintergrund schwarz: Doppelrendezvous mit fröhlichem Petting. Hiroshima-Nagasaki. In einem dritten Bild war Barbie als Asiatin gekleidet - mit einer schwarzen Geisha-Perücke, schwarzen Schrägstrichen um die Augen, in einem Kimono aus Alufolie. Breitbeinig saß sie auf einer Bettkante, rauchte und las in einem Buch, Ken, der heiß bemüht war, ihre Plastikschenkel zu küssen, schenkte sie keinerlei Beachtung. Oh, Lookie-Lookie! Kabookie Nookie! hieß das Bild.
    Aufmerksam wurde ich bei Garys größtem Kunstwerk, einem Würfel aus Kunststoff, fünfzig Zentimeter in Länge, Breite und Höhe. Darin hatte Gary das Schlafzimmer eines Jugendlichen aus den Sechzigerjahren dargestellt: Liebesbriefe in Form kleiner mit Lippenstift bemalter Papierstücke, Fußballwimpel aus kleinen dreieckigen Filzstückchen, eine Beatles-Briefmarke als Poster. Auf dem Fußboden lagen fingerhutgroße Pillendöschen, winzige Fotos von Barbie und ein überdimensional großes Buch mit Ledereinband, auf dem mit lavendelfarbener Tinte DIARY geschrieben stand.
    Mittelpunkt der Szenerie bildete eine Ken-Puppe, die an einem Dachsparren aufgehängt war, um den Hals eine Schlinge. Überall war als Blut rote Farbe verspritzt. Es schien, als hätte der Künstler ein bloßes Erhängen zu harmlos gefunden, und deshalb stak im Bauch der Puppe ein Spielzeugmesser. Falls der Zuschauer immer noch nicht begriffen hatte, hing ein Schwärm blutigen Gedärms bis zu den Füßen des Toten herunter. Es bestand aus Klebe, die aus einer Tube gepresst worden war, und war mit Lack bestrichen, der wie Schleim wirkte. Die Wirkung war erschreckend echt.
    Der Titel, den dieses ausdrucksvolle Objekt trug, lautete: Oh, Deary, Runde-Augen-Harakiri: Die verwerfliche Tat. Preis: hundert Dollar.
    Ich ging zu dem Mann am Pult hinüber. Er hatte kurzes schwarzes Haar mit hellbraunen Strähnen oben und grellem Blau auf den Seiten. In den Ohren steckten Sicherheitsnadeln, an denen elfenbeinerne Ohrringe hingen. Sein Gesicht war hager und hatte etwas Raubtierhaftes, seine Augen waren klein und leblos. Er war ungefähr Ende zwanzig, eigentlich zu alt für solchen Teenager-Protest. Ich fragte mich, was er wohl gemacht hatte, bevor er in dieser Galerie Arbeit gefunden hatte.
    Er zeichnete gerade Dreiecke, schnitt sie aus und ignorierte mich.
    »Ich interessiere mich für einen Ihrer Künstler«, sagte ich.
    »Hmm.«
    »Garish.«
    Ein kurzes Schnauben.
    »Da müssen Sie mit dem Besitzer sprechen. Ich sitze nur hier, um aufzupassen.«
    Ich erkannte die Stimme vom Telefon wieder.
    »Wer ist der Besitzer?«
    »Ein Arzt aus Encino.«
    »Wann kommt er her?«
    Er zuckte lässig die Schultern und gähnte dazu.
    »Niemals.«
    »Was, er kommt überhaupt nicht in seine Galerie?«
    »Nein, das ist nur so’ne Art Hobby für ihn.«
    Oder eine Möglichkeit, Steuern zu sparen.
    »Ich komme nicht so oft in diese Gegend«, sagte ich, »könnten Sie ihn vielleicht anrufen und ihm sagen, dass ich mich für eines von Garishs Bildern interessiere?«
    Er blickte auf, starrte mich an und reckte sich. Ich erkannte Nadeleinstiche auf seinen Armen.
    »Das mit der Selbstmordszene«, fuhr ich fort. » Die verwerfliche Tat . Auch würde ich gerne mit dem Künstler sprechen.«
    »Bilder.« Er grinste. Sein Mund war in schlimmem Zustand. Er hatte kaum noch Zähne, und die restlichen waren angefressen und braun. »Das ist Leben, Mann. Abfall. Aber keine Bilder.«
    »Ist ja egal. Würden Sie bitte jetzt telefonieren?«
    »Ich soll das nicht. Er operiert fast immer, ich darf nicht stören.«
    »Wie wäre es mit einem Hunderter, tun Sie es dann?« Ich zog meine Brieftasche hervor.
    Jetzt wurde er erst recht störrisch.
    »Ach so,

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