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Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Titel: Jamey. Das Kind, das zuviel wußte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Weile antwortete ich nichts, dann begann ich zu sprechen, es fiel mir jedoch schwer:
    »Als Jamey vor fünf Jahren an meine Tür klopfte, suchte er verzweifelt nach einem Vater. Die Zeit, die wir miteinander verbrachten, und unsere gemeinsamen Erlebnisse müssen ihm die Illusion vermittelt haben, dass er endlich einen gefunden hatte. Es ist dann so eine Art romantischer Zuneigung entstanden, und als er sie zum Ausdruck brachte, stieß ich ihn zurück. Das war ein einschneidendes Erlebnis für ihn. Wäre ich besser mit ihm umgegangen, wäre sicher alles anders gelaufen.«
    »Du konntest das nicht voraussehen, Alex. Niemand hätte es anders gemacht.«
    »Als gelernter Psychologe hätte ich besser reagieren müssen.«
    »Du warst an dem Projekt nur zeitweilig beteiligt und hast es auch nicht geleitet. Was ist denn mit Sarita Flowers, die die Verantwortung hatte? Zwei von sechs Kindern sind ausgeflippt, wirft das nicht ein Licht auf ihre Fähigkeiten?«
    »Sarita ist eher Technikerin als Psychologin, aber sie macht keinerlei Hehl daraus. Deshalb hat sie mich ja ins Projekt geholt. Ich sollte mich um das seelische Gleichgewicht der Kinder kümmern. Aber ich war einfach zu naiv. Ich hielt meine Gesprächsgruppen ab und bildete mir ein, das Wichtigste sei damit getan.«
    »Du bist zu streng mit dir«, sagte Robin und ließ meine Hand los. Sie stand auf, machte sich wieder an den Salat und holte zwei Steaks aus dem Kühlschrank. Ich sah ihr zu, wie sie geschickt das Fleisch zurechtschnitt und würzte.
    »Alex, Jameys Schwierigkeiten begannen schon lange, bevor das Projekt ins Leben gerufen wurde. Die Gründe dafür hast du mir selbst genannt. Es ist einfach unlogisch, zu glauben, dass dieser eine Vorfall für Jameys Entwicklung so entscheidend war. Du hast dich von all diesen schrecklichen Dingen zu sehr beeindrucken lassen und hast deinen klaren Blick verloren. Souza hat dir einen Gefallen getan, als er dich entließ. Sieh doch darin auch einen Vorteil.«
    »Vielleicht hast du Recht«, sagte ich, mehr um auf ihre Gefühle Rücksicht zu nehmen als aus Überzeugung.
    Den größten Teil des nächsten Vormittags verbrachte ich damit, Kliniken und Pflegevermittlungen anzurufen. Marthe Brown war nicht aufzufinden, aber Andrea Vann war bei der neunten Agentur, die ich anrief, unter Vertrag. Ich sprach mit dem Telefondienst und ließ mich zum Direktor durchstellen, einem Mann namens Tubbs, der Stimme nach zu urteilen, ein älterer Mann. Er hatte einen leichten Karibik-Akzent. Als ich nach Mrs. Vanns Adresse fragte, klang seine Stimme plötzlich reserviert.
    »Wie war Ihr Name, bitte?«
    »Dr. Guy Mainwaring«, sagte ich in blasiertem Ton, »medizinischer Leiter der Canyon Oaks- Klinik in Agoura.«
    Bedeutsames Schweigen.
    »O ja«, sagte er plötzlich servil, da er offensichtlich einen wichtigen Kunden nicht verprellen wollte. »Ich würde Ihnen ja gerne helfen, aber wir haben die Datenschutzregeln einzuhalten.«
    »Das verstehe ich sehr gut«, sagte ich ungeduldig, »aber das spielt jetzt wirklich keine Rolle. Mrs. Vann hat bis vor kurzem bei uns gearbeitet, und ich vermute, dass das in Ihren Unterlagen vermerkt ist.«
    Er konnte unmöglich die Akten zur Hand haben, trotzdem sagte er: »Aber natürlich.«
    »Unsere Personalabteilung hat mich informiert, dass sie noch eine Entschädigung für ungenutzte Ferientage zu bekommen hat. Wir haben ihr den Scheck nach Hause geschickt, aber er kam zurück, weil die Adresse nicht stimmte. Mein Sekretariat hat deshalb schon letzte Woche mit Ihnen telefoniert, und man hatte uns einen Rückruf zugesagt, der jedoch bisher noch nicht erfolgt ist.«
    »Ich werde der Sache nachgehen.«
    »Das brauchen Sie nicht, ich habe mich entschlossen, selber anzurufen, sozusagen über den heißen Draht.«
    »Natürlich. Möchten Sie auch ihre Telefonnummer, Doktor?«
    »Das könnte mir weiterhelfen.«
    Er ließ mich einige Minuten warten, dann teilte er mir Folgendes mit:
    »Doktor, Mrs. Vann hat uns in der letzten Woche mit einer Stellenvermittlung beauftragt. Wir haben zwei Teilzeitjobs für sie gefunden, aber sie hat nicht wieder angerufen, und wir haben sie auch nicht erreichen können.«
    »Typisch«, seufzte ich, »eine so intelligente und fähige Person, aber leider neigt sie dazu, plötzlich mir nichts, dir nichts zu verschwinden.«
    »Gut, dass ich das weiß«, sagte er grantig.
    »Sicherlich. Um auf die Adresse zurückzukommen …«, ich raschelte mit Papier. »Nach unseren Unterlagen lebt sie in

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