Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Titel: Jamey. Das Kind, das zuviel wußte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
Vom Netzwerk:
verwandelt und ein ganzes Stück von Malibu ins Meer gespült. Mein Haus hatte trotz seiner geringen Stabilität - es stand auf Stelzen wie Flamingos und frei auf dem Hügel - allen bisherigen Unwettern tapfer widerstanden. Trotzdem schichtete ich jedes Mal, wenn ein neuer Regenguss gegen die Holzwände klatschte, Sandsäcke auf und überlegte, ob ich mir nicht eine Arche bauen sollte wie Noah. Draußen sah es aus, als würde der Hügel wegschmelzen, und mich überkam tiefe Melancholie, jenes typisch kalifornische Gefühl der eigenen Nichtigkeit. Blitze zuckten über den Himmel, und der Donner applaudierte ihnen. Milo ließ sich von meiner Unruhe nicht anstecken, sondern las.
    »Diese Brugmansia ist ja eine grauenhafte Pflanze«, sagte er, »es gibt unzählige Möglichkeiten, jemanden damit umzubringen - Tee, Suppen, Essen, Zigaretten.«
    »Man kann das Gift auch so zubereiten, dass es durch die Haut aufgenommen wird«, sagte ich. »In dem Buch steht ein ganzes Kapitel über Breiumschläge.«
    »Wunderbar. Und Tantchen ist Expertin auf dem Gebiet.« Er runzelte die Stirn und schlug dann so heftig mit der Hand auf den Tisch, dass die Tassen wackelten. »Einen Arzt zu bestechen, damit er ein Kind zum Wahnsinn treibt. Ein eiskaltes Verbrechen. Glaubst du, Jamey hat begriffen, was da vor sich ging? Hat er vielleicht deshalb so viel von Zombies gesprochen?«
    »Das weiß Gott allein.«
    »Alex, ich hasse solche Familiengeschichten. Je reicher die Familie, desto ekelhafter wird es. Arme Leute machen es auf ehrenvolle Weise, sie sind stinksauer aufeinander, reißen die Remington aus dem Gewehrständer und pusten sich um. Aber diese Arschlöcher aus der Oberschicht sind gar nicht in der Lage, Wut im Bauch zu haben. Sie lassen sogar ihre Darmtätigkeit von anderen ausführen. ›Grimes, würden Sie bitte für mich kacken.‹ - ›Sehr wohl, Madame. ‹« Er schüttelte den Kopf und nahm einen ausgiebigen Schluck Kaffee.
    »Abgesehen davon, dass es nicht gerade fantasievoll ist, kommt man in den Knast, wenn man einen mit der Knarre umlegt.«
    Milo blickte auf.
    »Ja, ich weiß. Wir haben in unserem Fall noch keinen sicheren Beweis. Das ist ja die Idiotie.«
    »Habt ihr nach dem Tagebuch gesucht?«
    »Nein«, sagte er grimmig, »wir haben Freiwillige vom Braille-Institut mit der Suche beauftragt. Sie liefen mit ihren kleinen weißen Rohrstöckchen ein bisschen an Deck herum und ließen es damit gut sein. Was glaubst du denn, was ich machen soll?«
    »Du bist der Sergeant.«
    »Hast ja Recht«, murmelte er und wandte sich wieder dem Buch zu, dann sang er ziemlich schräg das Lied: »Regentag und Montag ist mein Unglückstag«.
    »Wir haben heute Donnerstag.«
    »Ist mir egal, was heute ist.«
    Ich ging in die Küche, um noch mehr Kaffee zu holen. Dann setzte ich mich auf die Fensterbank und hielt Ausschau nach dem nächsten Regenguss. Es sah nicht danach aus, deshalb zog ich meinen Regenmantel und einen alten Cowboyhut an und lief in den Garten hinunter, um nach den Zierkarpfen zu sehen. Der Kies rund um den Teich war zum Teil weggeschwemmt, die Azaleen ließen regenschwer die Zweige hängen. Aber die Wasserfläche war noch nicht bis zum Überlaufen gestiegen, und die Fische schienen in bester Form zu sein. Sie ließen sich in dem aufgewühlten Wasser treiben, kamen ab und zu mit den Mäulern an die Oberfläche und sahen in dem dunklen Wasser aus wie lebende Regenbogen. Als sie mich bemerkten, schwammen sie in meine Richtung auf die bemoosten Steine zu. Sie gaben glucksende Geräusche von sich, stießen mit dem Kopf an und zeigten ihre bunten, glänzenden Körper. Ich nahm ein paar Körner aus der Futterdose und warf sie ihnen hin.
    »Guten Appetit, meine Freunde.« Ich ging den Garten hinauf, um einen Blick unter das Haus zu werfen. Der Boden war matschig, aber fest, es war nichts abgerutscht. Nur ein paar Sandsäcke waren nass geworden.
    Ich wollte sie gerade wegräumen, als Milo mich rief:
    »Alex, komm ans Telefon.«
    Ich machte mir die Schuhe sauber und stieg die Treppe zur Terrasse hinauf. Er hielt mir den Hörer hin.
    »Da will dich ein Kerl sprechen, der behauptet, er sei dein Finanzberater. Er quatscht in rasendem Tempo.«
    Ich nahm den Hörer.
    »Hallo, Alex. Lou hier. Gibt’s was Neues über die Aktien vom Bitter Canyon?«
    Ich sah zu Milo herüber. Er saß da mit aufgestütztem Kinn, in ein Kapitel über indianische Kulte und Beschwörungsrituale vertieft.
    »Nein, ich weiß weiter nichts darüber, dazu müsste ich

Weitere Kostenlose Bücher