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Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Titel: Jamey. Das Kind, das zuviel wußte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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so«, antwortete Milo, doch einen Moment später fragte er:
    »Muss man sich diese Streifen verschreiben lassen, oder bekommt man sie ohne Rezept?«
    »Rezeptfrei. Aber Anticholinergika kann man auch so kaufen, falls du das meinst. Sie sind in Schlaftabletten drin und auch in Abführmitteln.«
    »Könnte man sich rezeptfrei so viel davon verschaffen, dass man jemanden vergiften kann?«
    »Das glaube ich kaum. In den Pillen sind ja auch immer andere Stoffe, viele in höherer Konzentration. Wie zum Beispiel Adrenalin in Abführmitteln. Wenn man zu viel nimmt, gibt’s Herzstillstand. Was man an Medikamenten brauchte, um einen anderen psychotisch zu machen, würde so viel Adrenalin enthalten, dass das Opfer daran stürbe. Selbst wenn man chemisch so bewandert wäre, dass man den Stoff isolieren könnte, würde es nicht funktionieren. Jamey zeigte immer neue Symptome. Manchmal war er schlaftrunken, dann wieder wild und gereizt, immer so, wie sie ihn gerade brauchten. Das ist eine technisch perfekt hergestellte Psychose, Milo. Sozusagen maßgeschneidert nach den Bedürfnissen des Giftmischers. Reines Atropin oder Skopolamin hätte solche speziellen Effekte nicht hervorgebracht. Wenn Jamey vergiftet worden ist, dann mit ausgetüftelten Präparaten, Kombinationen mehrerer Stoffe.«
    »Drogen nach Maß also.«
    »Ganz genau.«
    Milo stellte den Mantelkragen hoch und begann auf den Absätzen zu wippen. In sein Gesicht war die Farbe zurückgekehrt, dank geistiger Ablenkung. Nach ein paar Minuten sagte er:
    »Ich gehe zum Wagen und versuche, die Klinik zu erreichen. Der Arzt, mit dem ich vorhin sprach, war sehr abweisend, aber ich versuche mal, den Boss zu erwischen.«
    Entschlossenen Schrittes ging er fort und ließ mich allein am Kai zurück. Fünfzig Meter entfernt war eine Tankanlage mit einem kleinen Laden gleich neben den Zapfsäulen. Ich kaufte mir einen Becher schlechten Kaffees und einen Amerikaner, setzte mich unter eine Markise und aß und trank. Dabei beobachtete ich, wie eine große Yacht aufgetankt wurde. Nach etwa zwanzig Minuten kam Milo zurück, in der Hand sein Notizbuch. Er schaute zur Sweet Vengeance hinüber.
    »Noch immer nichts?«
    »Bisher noch nicht. Wie geht es Jamey?«
    »Er ist immer noch ohne Bewusstsein. Er hat eine schwere Gehirnerschütterung. Einen schlimmeren Schaden hat er wohl nicht, aber es ist noch zu früh, um das definitiv auszuschließen. Seine Blutproben sind noch im Labor, in ein paar Stunden werden wir mehr wissen. Ich habe gebeten, die Untersuchung zu beschleunigen, aber aus technischen Gründen geht das nicht. Der behandelnde Arzt, ein Neurologe mit Namen Platt, der einen sehr kompetenten Eindruck macht, klang, als ich ihm von unserem Verdacht auf Atropinvergiftung erzählte, eher skeptisch. Er sagte, die wenigen Fälle von durch Atropin ausgelösten Psychosen, die er kennt, seien bei Parkinson-Patienten vorgekommen, aber auch hier seien immer mehrere Präparate die Ursache gewesen. Davon, dass jemand gezielt Atropin anwendet, um Wahnsinn zu erzeugen, hat er noch nie etwas gehört. Immerhin räumte er ein, dass Jamey schnell geholfen werden kann, falls die Tests ergeben, dass er Atropin bekommen hat. Es gibt eine Art Gegengift.«
    Er schlug sein Notizbuch auf, schirmte es gegen den Regen ab und las:
    »Antilirium. Macht den durch Atropin hervorgerufenen Schaden rückgängig und reinigt die Nervenenden. Das Zeug ist aber selbst sehr giftig, und ohne gründliche Überwachung und Unterstützung durch andere Mittel ist das Anwendungsrisiko hoch. Sie haben aber schon angefangen, ihn zu entgiften. Die einzigen Besucher, die man zu ihm lässt, sind Souza, seine Tante und sein Onkel. Mainwaring war seit vier oder fünf Tagen nicht mehr dort. Sie passen ständig auf Jamey auf, haben aber noch nichts Verdächtiges bemerkt, allerdings sagt Platt, dass man das Zeug auf vielfache Weise in den Körper geben kann, da es sehr leicht absorbiert wird. Er sagt, die sicherste Methode sei, dauernd das Blut zu kontrollieren und über den Zustand des Jungen genau Buch zu führen. Um die Medikation kümmert sich Platt persönlich.«
    Er blickte auf die Uhr. »Wie lange sind sie schon da unten, vierzig Minuten?«
    »Eher eine halbe Stunde.«
    »Es wird nicht gerade sehr gemütlich sein. Haie sollen dieses Wetter besonders gern haben. Es weckt den Raubinstinkt.«
    »Sie haben Sauerstoff für eine Stunde. Vielleicht kommen sie auch länger damit aus, geübt, wie sie sind.«
    »Sie sind echte Profis. Hansen,

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