Jamey. Das Kind, das zuviel wußte
Militärbasis zu besichtigen. Als wir uns dem See näherten, kam er mir ein wenig beunruhigt vor. Aber vielleicht rührte dieser Eindruck nur von der Hitze und dem grellen Licht her. Das Wasser sieht aus wie eine riesige Glaslinse, und wenn die Sonne in einem bestimmten Winkel darauf scheint, blendet es bis zur Unerträglichkeit. Hornburgh, zimperlich, wie er ist, lässt sich leicht schmeicheln. Während der Fahrt klapperte er fast mit den Zähnen. Er mag ja Colonel sein, aber er klatscht wie ein Weibsbild. Er erzählte mir ausführlich, was ich alles mit dem Gelände anstellen könnte. Häuser bauen und Hotels, sogar einen Golfplatz und ein Freizeitgelände. Ich ließ ihn reden, dann sagte ich: ›Das klingt ja geradezu nach Garten Eden, Stanton.‹ Er nickte wie eine Kasperlepuppe. ›Warum will die Army es dann unbedingt loswerden?‹, fragte ich und lächelte dazu. Er blieb freundlich und nett und erzählte mir was von Budgetbeschränkungen für militärische Einrichtungen in Friedenszeiten durch den Kongress. Das ist natürlich Unsinn, denn das Militär kann bei uns machen, was es will. Und wenn bald Ike Präsident wird, wie alle glauben, kann es nur besser werden. Ich muss deshalb Acht geben, was eigentlich los ist.«
Milo las leise weiter.
»Jetzt schreibt er wieder von seinem Bürogebäude.« Er runzelte die Stirn und glitt mit dem Zeigefinger die Zeilen entlang. »Aha, sein Bestechungsversuch hat geklappt. Und jetzt schreibt er etwas über seine Frau. Sie waren im Sheraton Hotel zu einer Party eingeladen, und sie hat allein in der Ecke gestanden und sich geweigert, mit anderen Leuten zu reden. Er hat sich darüber sehr geärgert. Mensch, wo geht es denn endlich mit Bitter Canyon weiter? Das war doch hoffentlich nicht alles?«
Langsam arbeitete sich Milo durch September und Oktober durch, ab und zu las er mir einen Abschnitt laut vor. Immer deutlicher war die Persönlichkeit von Jack Cadmus zu erkennen, das Bild eines rücksichtslosen, eigenwilligen, selbstherrlichen Menschen zeichnete sich ab, der sich nur ab und zu kleine Gefühlsanwandlungen gestattet. Sein Verhältnis zu seiner Frau war von einer Mischung aus Mitleid, Zorn, Zuneigung, Ablehnung und Unzulänglichkeit bestimmt. Er hob immer wieder seine Liebe zu ihr hervor, verschwieg aber nicht, wie sehr er sie wegen ihrer Schwächen verachtete. Von seiner Ehe sagte er schließlich, sie sei »toter als Hitler«, nannte die Heilanstalt in Muirfield eine »teuflische Gruft« und beschimpfte Antoinettes Ärzte als »Quacksalber mit Harvard-Diplom, die mir mit der einen Hand auf die Schulter klopfen und mir mit der anderen das Geld aus der Tasche ziehen. Alles, was sie können, ist, idiotisch zu grinsen und fachzusimpeln.« Er hatte sich dem seelischen Stress durch harte Arbeit entzogen, durch Börsenspekulation, Landkäufe und riskante Geschäfte, bei denen es um Riesensummen ging, die er mit fast erotischer Hingabe tätigte.
»Jetzt geht es weiter«, begann Milo, »Mittwoch, fünfzehnter November: ›Jetzt habe ich Hornburgh und die verdammte U.S. Army am Wickel. Nach langem telefonischen Gerangel habe ich mich bereit erklärt, mir die Militärbasis noch einmal genauer anzusehen. Aber als ich dann da war, drehte und wand Hornburgh sich, ließ mir sagen, dass er bei einer wichtigen Inventarisierung sei und nicht kommen könne. Er schickte mir einen Chauffeur, der mit mir im Jeep durch das Gelände fahren sollte. Mir fiel bei der Besichtigung nichts Besonderes auf, alles wirkte leer und verlassen. Als wir am östlichen Rand an ein paar Holzbaracken vorbeikamen, trat eine Gruppe von Militärpolizisten zwischen den Gebäuden hervor. Sie wirkten steif und irgendwie todernst. Sie sahen wie eine Eskorte aus, und als ich näher hinsah, erkannte ich, wen sie begleiteten. Ich hatte Mühe, nicht aus dem Jeep zu springen und ihm an die Gurgel zu gehen. Es war diese ekelhafte Ratte von Kaltenblud! Ich sah ihn nur eine Sekunde lang, weil wir in so eiligem Tempo vorbeifuhren, aber ich kannte diese Fratze gut genug, Gott ist mein Zeuge. Er war zur Anklage bei den Nürnberger Prozessen vorgesehen, aber wir hatten ihn nicht gekriegt, immer war er uns im letzten Moment entwischt. Ich hatte damals schon geglaubt, dass die CIA ihn in Sicherheit gebracht hatte, um irgendwelche Drecksarbeiten von ihm erledigen zu lassen, aber als ich nachfragte, bekam ich nichts als Blabla zur Antwort. Jetzt sah ich den Beweis lebend vor mir!
Ich finde es verdammt ungerecht, dass man die
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