Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Titel: Jamey. Das Kind, das zuviel wußte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
Vom Netzwerk:
bedeckte sie mit einem dichten weißen Schaumteppich. Der Pacific Coast Highway war hinter Topanga wegen verschlammter Fahrbahn und geringer Sichtweite für den Durchgangsverkehr gesperrt. Die Verkehrspolizei war in voller Aktion, stellte Straßensperren auf und prüfte Ausweise. Milo nahm das Blinklicht vom Armaturenbrett, drehte das Fenster herunter und befestigte es auf dem Wagendach des Matador. Nachdem er seinen Arm völlig durchnässt wieder hereingezogen hatte, fuhr er auf dem Seitenstreifen an einer langen Schlange kostspieliger Freizeitkarossen vorbei.
    Auf das Zeichen eines Polizisten hin bremste er, erledigte das übliche scherzhafte Geplänkel unter Kollegen und fuhr weiter. Als wir den Highway erreichten, drehten die Reifen des Matador durch, und wir kamen ins Schleudern. Milo verlangsamte die Fahrt, bis die Räder wieder griffen, und folgte den Rücklichtern eines BMW mit aufgesetztem Heckspoiler, der die Aufschrift Hal’s Spielzeug trug. Der Polizeifunk brachte ständig Katastrophenmeldungen: schwere Auffahrunfälle auf den Freeways von Hollywood und San Bernardino, ein liegen gebliebener Lastzug, der den Cahuenga-Pass versperrte; eine mörderische Brandung brachte alles in Gefahr, was am Kai von Santa Monica zurückgelassen worden war.
    »Diese gottverdammte Stadt ist wie eine verzogene Göre«, brummte er. »Sobald nicht mehr alles wie geschmiert läuft, bricht sie zusammen.«
    Zu unserer Linken tobte der Ozean, rechts erhoben sich die südlichen Hänge der Berge von Santa Monica. Wir passierten einen Straßenabschnitt, der zwei Jahre zuvor durch einen Erdrutsch verschüttet worden war, dabei hatte sich der Hang bis auf die Felsen entblößt und sah aus wie ein Gerippe. Mit viel Aufwand und Chemie hatte man die Blößen in riesigem Ausmaß mit einer rosabraunen Haut aus Fiberglasgewebe überzogen, eine Art von Landschaftskulisse, wie man sie fürs Kino baut. Eingearbeitete wellige Furchen und künstliche Sträucher machten die Mischung vollkommen. Es war eine typische und perfekte Disneyland-Lösung.
    Das Haus stand zwei Meilen weiter in Malibu auf der schlechteren Seite des Highways, durch vier asphaltierte Fahrbahnen von Strand und Wasser getrennt. Es war eine kleinere Ranch, im Stil der Fünfzigerjahre gebaut, ein einstöckiges, weiß geputztes Gebäude mit einem flach abfallenden Dach. Die Eingangsseite war mit alten Ziegeln verblendet, und ausgedehnte, mit Eiskraut bedeckte Beete umsäumten die ansteigende asphaltierte Zufahrt. An das Haus war eine Doppelgarage angebaut. Es gab keinen Rasen vor dem Haus, stattdessen eine ölverschmierte Betonfläche. Bei den üblichen Preisen musste das Ganze mindestens dreihunderttausend Dollar wert sein.
    Vor dem Haus war eine hellgrüne Mercedeslimousine geparkt. Durch ihre verregneten Scheiben schimmerte es weiß - ein Arztkittel war über dem Beifahrersitz ausgebreitet.
    »Ich denke, bis jetzt ist alles gut gelaufen«, sagte Milo, während er dicht vor dem Haus anhielt und den Motor abstellte. »Tu mir den Gefallen und halte die Ohren offen, wenn er versucht, mich mit Fachchinesisch reinzulegen.«
    Wir stiegen aus und stürzten auf den Eingang zu. Die Klingel war abgestellt, aber auf Milos Klopfen wurde die Tür sehr schnell um einen Spalt geöffnet; dahinter erschien ein Gesicht.
    »Was möchten Sie?«
    »Polizei, Dr. Mainwaring. Sergeant Sturgis, West L. A. Division. Sie kennen, glaube ich, Dr. Delaware schon. Dürfen wir reinkommen?«
    Mainwaring sah uns abwechselnd an, bis sein Blick schließlich endgültig irgendwo auf Milos massiver Gestalt hängen blieb.
    »Ich verstehe nicht ganz …«<
    »Wir würden es Ihnen gern erklären«, gab Milo zurück, »wenn Sie uns nicht länger draußen in diesem Wasserfall stehen ließen.«
    »Ja, natürlich.«
    Die Tür ging auf. Als er uns nervös lächelnd den Weg freimachte, traten wir ein. Ohne Arztkleidung und seine berufliche Umgebung wirkte er nicht sehr eindrucksvoll: ein schmalbrüstiger Mann in mittleren Jahren, schlecht ernährt und überarbeitet, das Wolfsgesicht unrasiert mit weißen Stoppeln, und mit Händen, die sich von Zeit zu Zeit verkrampften. Er trug einen unförmigen grauen Seemannspullover über einer ausgebeulten olivgrünen Hose aus Drillich und ausgetretene Pantoffeln, in denen marmorweiße, blau geäderte Füße steckten.
    Die Wohnung war verstaubt und ohne jeden Stil eingerichtet, der einen Rückschluss auf seine Bewohner zugelassen hätte: Das kastenförmige weiße Wohnzimmer war mit

Weitere Kostenlose Bücher