Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Titel: Jamey. Das Kind, das zuviel wußte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
Vom Netzwerk:
langweiligen Möbeln zugestellt und wirkte wie ein Ausschnitt aus der Reklame eines Möbelgeschäfts. Die Wände waren mit See- und Landschaftsbildern behängt, wie man sie überall massenhaft kaufen kann. Durch eine im Hintergrund halb geöffnete Tür sah man einen langen dunklen Flur.
    Die Essecke des Raums war als Büro eingerichtet, auf dem Tisch herrschte die gleiche Unordnung, wie ich sie schon in Mainwarings Heiligtum in Canyon Oaks bemerkt hatte. Ein gerahmtes Foto zweier bedrückt dreinblickender Kinder - ein sieben- oder achtjähriger Junge und ein zwei Jahre älteres Mädchen - lehnte gegen einen Stapel medizinischer Fachzeitschriften. Auf dem Tisch stand auch etwas zu essen: eine Tüte mit Orangensaft, ein Teller mit Keksen und ein halb angebissener Apfel, der sich an den offenen Stellen braun verfärbt hatte. Auf dem Boden stand ein fernlenkbares Flugzeug, das man mit kleinen, geschickten Händen in drei andere Spielzeuge verwandeln konnte. Hinter der Essecke sah man eine hellgrüne Küche mit den Überresten einer Mahlzeit aus Kohl und gekochtem Fleisch. Aus einem kleinen Transistorradio erklang eine Orgelfuge von Bach.
    »Bitte nehmen Sie doch Platz, meine Herren«, sagte Mainwaring und deutete auf eine baumwollbezogene Couch, die die Farbe und Oberfläche geronnenen Haferbreis hatte.
    »Vielen Dank«, erwiderte Milo und zog seinen Regenmantel aus. Der Psychiater nahm uns die Mäntel ab und starrte sie wie Erscheinungen an.
    »Ich werde sie aufhängen.«
    Er brachte die Sachen durch die halb geöffnete Tür in den Flur und verschwand eine Zeit lang in der Dunkelheit, so dass Milo schon misstrauisch wurde. Er kehrte aber bald wieder zurück und schloss die Tür.
    »Darf ich Ihnen etwas anbieten? Kaffee oder Kekse?«
    »Nein, danke, Doktor.«
    Mainwaring sah nach den Keksen auf dem Tisch, dachte einen Moment nach und setzte sich dann in einen braunen, samtbezogenen Lehnstuhl. Er nahm eine Tabakspfeife aus einem Pfeifenständer, stopfte sie, zündete sie an, paffte und lehnte sich zurück, wobei er streng riechende blaue Rauchwolken ausstieß.
    »Nun, was kann ich für Sie tun, Sergeant?«
    Milo setzte ein stupides Grinsen auf und zückte seinen Notizblock.
    »Vermute, dass das für jemanden wie Sie eine Umstellung ist, ich mache Notizen, während Sie reden.«
    Mainwaring lächelte mit spürbarer Ungeduld.
    »Lassen Sie mich zunächst ein paar Routinefragen stellen, Doktor. Ihr Vorname?«
    »Guy.«
    »Wie Guy Fawkes {7} , nicht?«
    Mainwarings Lächeln wurde herablassend.
    »Ja, Sergeant.«
    »Haben Sie noch einen Vornamen?«
    »Martin.« Er sah mich spöttisch an, als ob er von mir ein Augenzwinkern oder ein anderes Zeichen kollegialen Mitgefühls erwarte. Ich sah weg.
    Milo legte den Notizblock auf die Knie und kritzelte.
    »Guy Martin Mainwaring … okay … und Sie sind Psychiater, nicht?«
    »Das ist korrekt.«
    »Das bedeutet, dass Sie zehn Dollar die Stunde mehr verdienen als Dr. Delaware hier, stimmt’s?«
    Mainwarings Blicke wurden feindselig, als er mich wieder ansah. Er war unsicher, welches Spiel man mit ihm vorhatte, war sich aber plötzlich bewusst geworden, dass ich zur anderen Seite gehörte.
    »Ihr Akzent klingt britisch, oder irre ich mich?«
    Mainwaring nickte zustimmend.
    »Englisch.«
    »Wo sind Sie zur Schule gegangen? In Großbritannien?«
    »Ich besuchte die Universität Sussex«, erwiderte er förmlich. »Und was meinen M. B. betrifft …«<
    »M. B., was bedeutet denn B.?«
    »Bakkalaureus.«
    »Sie sind also nur ein Bakkalaureus der Medizin und gar kein richtiger Doktor?«
    Der Psychiater seufzte.
    »Man nennt das dort so, Sergeant, es ist aber das Gleiche wie der Doktortitel in Amerika.«
    »Oh, ich dachte, in Großbritannien reden sie Doktoren mit Mister an.«
    »Alle Ärzte, die keine Chirurgen sind, werden mit Doktor angeredet, Chirurgen mit Mister. Eine unserer vielen eigenartigen Traditionen.«
    »Wie nennen Sie sich denn hier in Amerika?«
    »M. B., um die Probleme zu vermeiden, die Sie gerade damit hatten.« Als Milo darauf nichts sagte, fügte er hinzu: »Das ist alles ganz legal, Sergeant.«
    »Probleme, stimmt. Es wäre vermutlich sehr viel einfacher, wenn ich Sie Guy nennen würde, nicht?«
    Mainwaring biss auf das Mundstück und paffte heftig.
    »Sie wollten mir gerade erzählen, was Sie gemacht haben, nachdem Sie den … M. B. erworben haben, Doktor.«
    »Mir wurde eine Stellung im Londoner Maudsley-Hospital angeboten, kurz danach berief man mich zum Dozenten in

Weitere Kostenlose Bücher