Jamey. Das Kind, das zuviel wußte
Wunsch, als gleichwertiger Geschäftspartner anerkannt zu werden, war nie erfüllt worden. Er hatte nichts anderes erlebt, als ständig in den zweiten Rang zurückverwiesen zu werden.
Black Jack Cadmus hatte begriffen, was dies zur Folge haben könnte, und er hatte sich deswegen Sorgen gemacht.
»Ich bin ziemlich sicher, dass er mich aus tiefster Seele hasst«, hatte er geschrieben, »und ich frage mich, wie ich seinen Hass zerstreuen kann.« Seine Lösung war zynisch und pragmatisch zugleich gewesen. »Ein bisschen Nächstenliebe getarnt als Dankbarkeit könnte sehr nützlich sein. Ich muss H. dort lassen, wo er ist, aber ihm das Gefühl geben, wichtig zu sein.«
Schließlich war es Souza selbst gewesen, der seinen Hass abgewehrt hatte, indem er alle seine Gefühle für eine Sache hingab. Er vergötterte den Mann, den er eigentlich verachtete, und dies tat er sogar über dessen Tod hinaus. Der treu ergebene Sachwalter Horace, der keine eigene Familie hatte, aber immer zur Stelle war, wenn es irgendwelche Schwierigkeiten zu meistern galt, an denen es in der Familie Cadmus wahrlich nicht mangelte. Tag und Nacht war er bereit, alle verlangten Dienste zu leisten.
Ein psychischer Mechanismus war hier am Werk, der zerstörerische Impulse in gute Taten umwandelte, schwieriger zu realisieren als Rückwärtsgehen auf einem Seil, aber er hatte für lange Zeit Souzas Leben bestimmt.
Der Zorn, der in ihm aufstieg, als ich ihn nach seinen Beziehungen zur Familie Cadmus fragte, war ein Zeichen dafür, dass der Schutzwall, den er um sich gebaut hatte, zu bröckeln begann. Er hatte der Zeit nicht standgehalten, vor allem aber nicht der Möglichkeit, wieder eine Cadmus-Frau für sich zu gewinnen. Als seine Leidenschaften endlich aus ihrem Gefängnis herauskamen, war er zum brutalen Mörder geworden, ohne sich darüber klarzuwerden.
Jetzt wurde ihm der Spiegel vorgehalten, und sogleich hatte er sich hinter einer Mauer von Lügen und Abwehr verschanzt. Er tat dies mit einer Gelassenheit, auf die Marie-Antoinette am Tag ihres Prozesses stolz gewesen wäre.
Milo hatte die Rechtsbelehrung beendet und sah nun abwechselnd von Heather zu Dwight.
»Ib, dib, dab, und du bist ab«, sagte Cash, der seine Unschlüssigkeit erriet.
Bevor Milo sich entschieden hatte, ging die Tür auf, und Cal Whitehead kam herein, in einem grünen Anzug mit weißen Aufschlägen, in der Hand einen grünen Koffer aus Schlangenhaut, dessen Griff mit Plastik umwickelt war. Er kaute Kaugummi und grinste. Er warf den Koffer mit einem Schwung auf den Tisch und sagte: »Was ist denn hier los? Was sehe ich denn für Gesichter?«
»Wir räumen nur eben auf«, sagte Milo. »Mr. Souza ist gar nicht beeindruckt von unseren Geschichten.«
»Na ja, vielleicht hilft das uns ja weiter.«
Er zog sich Plastikhandschuhe an, holte einen plastikumwickelten Schlüssel aus der Tasche und schloss den Koffer auf.
»Sie sind wirklich sehr vertrauensselig, meine Dame«, sagte er zu Heather, »wie konnten Sie dies nur so einfach in Ihrer Kommode liegen lassen, unter der hübschen seidenen Unterwäsche und gleich neben Ihrem Diaphragma?«
Mit einer Handumdrehung öffnete er den Koffer. Dieser war innen mit lavendelfarbenem Samt ausgeschlagen, in den zwanzig sechseckige Vertiefungen eingelassen waren. Darin steckten zwanzig kristallene Gläschen, die durch Streifen aus Samt festgehalten wurden und braune und graue Puder und körnige Substanzen enthielten, offenbar getrocknete Blätter und Zweige.
Im Deckel waren ein Stößel und ein Mörser aus Porzellan befestigt, sowie eine kleine Schale, drei metallene Spritzen und ein Feuerzeug aus Platin.
»Das ist wirklich edel und einer Dame würdig«, sagte Whitehead. Heather bedeckte ihren Mund wieder mit dem Taschentuch und starrte auf ihr Abendtäschchen. Souza blickte teilnahmslos zur Decke.
»Na, macht das keinen Eindruck auf Sie?«, fragte Whitehead zunächst spaßig. Aber gleich darauf wurde er von Wut gepackt.
Er fasste in seine Jackettasche und zog einen Stapel Fotos heraus.
»Detective Whitehead«, sagte Milo, aber bevor er seinen Satz beenden konnte, hatte Whitehead die Fotos wie Spielkarten aufgefächert und begann sie zu verteilen. Die ersten bekam Souza, der sie keines Blickes würdigte, die nächsten warf er vor Heather hin. Sie sah sich die Bilder an und gab einen tiefen Schluchzer von sich, so schmerzerfüllt und heftig, dass es kaum zu ertragen war.
Sie packte die Fotos, um sie zu zerreißen, aber ihre Hände waren
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