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Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Titel: Jamey. Das Kind, das zuviel wußte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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grauem Kaschmir und poliertem Holz verkleidet, das spiegelgleich glänzte. Kleine Kristallvasen in silbernen Filigranhaltern waren an den Türen befestigt, in jeder steckte eine Rose. Die Scheiben der Seitenfenster waren mit Blumenmotiven verziert und von zuziehbaren Samtgardinen halb verdeckt.
    Die Wand, welche Fahrer und Reisende voneinander trennt, war geschlossen. Es herrschte vollkommene Stille im hinteren Teil des Wagens. Ich beobachtete, wie der Chauffeur seine Mütze gerade rückte, den Zündschlüssel nach rechts drehte, am Radio spielte und sich dann - zur Musik vermutlich - leise hin und her bewegte.
    Der Rolls fuhr sanft in Richtung Beverly Glen. Der morgendliche Pendelverkehr wurde immer dichter, aber Antrim war ein ausgezeichneter Fahrer und bog mit dem Wagen, ohne zu bremsen, in den Verkehrsstrom ein. Er fuhr in südlicher Richtung nach Wilshire, wandte sich dann nach Osten.
    Ich fühlte mich wie ein Kind hinten in dem Riesenwagen. Immer noch wiegte der Fahrer seinen struppigen Kopf zur Musik, die ich nicht hören konnte. Auf der Armlehne waren verschiedene Elfenbeinknöpfe angebracht, daneben jeweils eine kleine Silberplatte mit einer Aufschrift. Ich drückte auf den Knopf, der mit »Chauffeur« gekennzeichnet war.
    »Was wünschen Sie, Sir?«, fragte Antrim, ohne sich umzusehen oder seine wiegenden Körperbewegungen zu unterbrechen.
    »Öffnen Sie bitte die Trennwand, damit ich die Musik auch hören kann.«
    »Sie haben hinten einen Knopf, wenn Sie den betätigen, hören Sie Easy-Sound.«
    »Davon schlafe ich ein. Was hören Sie denn gerade?«
    »KMET. ZZ TOP.«
    »Das höre ich auch gerne.«
    »Na gut.« Antrim drückte auf einen Knopf, und die Glasscheibe öffnete sich. Ohrenbetäubende Rockmusik dröhnte nach hinten. Eine texanische Gruppe sang von einem Mädchen, das weiß, wozu seine Beine gut sind. Antrim sang mit jauliger Tenorstimme mit. Auf den Song folgte ein Werbespot für eine Abtreibungsklinik, die sich als Frauengesundheitscenter anpries.
    »Das ist vielleicht ein Auto«, sagte ich.
    »Da haben Sie Recht. Der hier gehörte einem Spanier, so’nem Kumpel von Hitler.«
    »Franco?«
    »Genau.«
    »Wie fährt der sich?«
    »Für so’nen großen Wagen sehr anständig.«
    Wieder ertönte laute Musik, und unser Dialog wurde abrupt unterbrochen. Bei der nächsten roten Ampel zündete Antrim sich eine Zigarette an. »Ist das bei Ihnen so üblich?«
    »Wovon reden Sie?«
    »Ob Sie immer die Leute mit dem Wagen abholen.«
    »Wenn Mr. Souza mich mit etwas beauftragt, dann tue ich es«, sagte er ausweichend, fand aber schnell wieder einen Sender mit Musik und drehte den Ton lauter.
    Wir durchquerten Beverly Hills und die Miracle Mile und das Bankenviertel von Wilshire. Die Häuser entlang des Boulevards wirkten wie Art-déco-Säulen aus rosa und weißem Granit, waren sieben bis zehn Stockwerke hoch und stammten aus den Vierziger- und Fünfzigerjahren, als die Leute allmählich Angst vor Erdbeben bekamen und kein Vertrauen mehr in Wolkenkratzer hatten. Das Gebilde, vor dem wir hielten, war älter und niedriger, nur vier Etagen hoch, und erinnerte mich an einen italienischen Hochzeitskuchen, dem man ein rotes Dach übergestülpt hat. Es war eines der wenigen Überbleibsel von der Jahrhundertwende. Der Chauffeur fuhr den kreisförmigen Zufahrtsweg hinauf und parkte den Wagen vor dem Haus. Die Eingangstür war ein fast drei Meter hoher Albtraum geschnitzter Monster aus Mahagoni. Rechts davon waren zwei Messingschilder angebracht. Auf dem ersten stand: Souza und Teilhaber, auf dem zweiten stand Souzas Name, der seiner Anwaltskanzlei und die von einem Dutzend anderer Anwälte.
    Antrim führte mich in eine Halle mit gewölbter Decke, die mit Trockenpflanzen und Bildern geschmückt war, dann gingen wir einen Korridor entlang, der mit schwarzweißem Marmor gekachelt war. Schließlich erreichten wir einen Aufzug, den er mit einem altmodischen Hebel bediente. Auf der vierten Etage hielt der Lift.
    Hier war der Boden mit silbrigem Plüsch ausgelegt; man konnte die Etage auch über eine in Stein gehauene Wendeltreppe erreichen. Durch hohe, makellos saubere Fenster sah ich einen großen Parkplatz. Früher musste hier ein Garten gewesen sein. Weiter hinten erkannte ich die gepflegten, schattigen Wege des Hancock Park. Nun wies mich der Fahrer zu einer Tür und führte mich in ein Zimmer, dessen Wände mit Bildern geschmückt waren. In der Mitte stand ein kleiner Schreibtisch, der aber offensichtlich nicht benutzt

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