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Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Titel: Jamey. Das Kind, das zuviel wußte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Ihnen?«
    »Sie gelten als weniger gestört, aber letztlich geht die Auswahl ziemlich willkürlich vonstatten.«
    Jetzt mischte sich der Beamte in unser Gespräch ein. Er war klein und trug einen tabakfarbenen Schnurrbart, sein Gesicht war faltig.
    »Wenn sie motiviert sind, verlegen wir sie auf die Station für besondere Fälle, stimmt’s, Patrick?«
    Montez beantwortete sein Lachen nur mit einem feinen Lächeln.
    »Er will damit sagen«, erklärte er, »sie müssen schon etwas sehr Auffälliges tun, damit sie nach drüben kommen - Finger abbeißen, Exkremente essen und so weiter.«
    Als hätte man ihm ein Stichwort gegeben, zog einer der Insassen seine gelbe Hose herunter und begann zu onanieren.
    »Zieh keine Schau ab, Rufus!«, rief der Wärter, »damit kannst du keinen Blumentopf gewinnen.«
    Dann wandte er sich an Montez und redete mit ihm ein paar Minuten über Filme.
    »Ich weiß es nicht genau«, sagte Montez abschließend, »der Film ist nicht von Truffaut, aber trotzdem sehr gut. Vielleicht kriegst du raus, von wem er ist.«
    »Mach ich, Patrick. Was macht ihr überhaupt hier?«
    »Ich begleite den Arzt zum Sicherheitstrakt.«
    Der Beamte sah mich neugierig an. »Wollen Sie sich an einem der Clowns da drüben versuchen?«, fragte er.
    »Das weiß ich noch nicht.«
    »Cadmus«, sagte Montez nur.
    Der Wärter schnaubte verächtlich.
    »Ein dicker Fisch«, sagte er, dann öffnete er durch Knopfdruck die Tür.
    »Weiter als hierher kommt auch der schlimmste Verbrecher nicht«, sagte Montez.
    Wir standen vor einer verschlossenen Tür, die von zwei Kameras beobachtet wurde. Links lag der Raum für Gespräche zwischen Gefangenen und Anwälten. Dort saß man sich gegenüber, an einer langen Reihe von Tischen, die durch Trennwände abgeteilt waren. Dahinter lagen mehrere kleine Räume mit Glaswänden.
    »Hier in den Sicherheitstrakt kommen nur Fälle, die Aufsehen in der Presse erregen, Leute mit hohem Ausbruchsrisiko und die echten Monster. Man muss den Präsidenten erschießen, eine überfüllte Bahn in die Luft gehen lassen oder einem Dutzend Babys Arme und Beine ausreißen. Dann endet man hier. Hundertfünfzig Zellen gibt’s, aber wir haben eine Warteliste. Sie werden ständig bewacht, es ist viel Aufsichtspersonal hier. Sicherheit wird ganz groß geschrieben. Das Essen wird unter der Tür durchgeschoben, die Türen sind aus Stahl und können nur durch einen Code geöffnet werden, der dauernd geändert wird. Sie können da nicht rein, aber ich lasse ihn holen.«
    Er drückte auf einen Knopf, und die beiden Kameras richteten sich mit einem leisen Wimmern auf uns. Wenige Minuten später öffnete ein riesiger rothaariger Aufsichtsbeamter die Tür und musterte uns misstrauisch. Montez raunte ihm etwas zu. Der Rotschopf hörte ihm zu, dann verschwand er ohne weitere Worte.
    »Wir warten dort drüben«, erklärte Montez und zeigte auf den Besprechungsraum. Wir gingen hinein, vorbei an Gefangenen, die mit ihren Anwälten sprachen. Als wir uns ihnen näherten, schwiegen sie. Die Anwälte wirkten kaum weniger verschlagen als ihre Klienten.
    Einer von ihnen, ein erschöpft aussehender Mann im Polyesteranzug, hörte ungerührt zu, als der Gefangene, der ihm gegenübersaß, ein kleiner Mulatte mit dicken Brillengläsern, ihm erklärte, er habe seine Mutter vergewaltigt, weil er keinen Haftaufschub durchsetzen konnte.
    »Der hat bald Termin, da hat er ja noch was Schönes vor sich.«
    Mehrere Wärter mit Walkie-Talkies gingen in dem Raum auf und ab. Montez winkte einen zu sich herüber. Er war dunkel, hatte rosige Wangen, vorzeitig gelichtetes Haar und machte ein freundliches Gesicht. Der Sozialarbeiter erklärte ihm die Situation, der Wärter starrte mich an, öffnete einen der Glasräume und ließ uns allein.
    »Haben Sie irgendwelche Fragen?«, wollte Montez wissen.
    »Nur eine, aber die ist vielleicht zu persönlich.«
    »Schießen Sie los.«
    »Wie halten Sie das aus, hier ganztags zu arbeiten?«
    »Da gibt es nichts auszuhalten. Ich mag meine Arbeit sehr. Der Papierkram geht mir manchmal etwas auf die Nerven, aber das gibt’s doch überall, und woanders ist es noch viel langweiliger. Hier bei uns ist nie ein Tag wie der andere. Ich bin Kinofan, und hier ist es auch nicht anders als in Fellini-Filmen. Verstehen Sie?«
    »Bestens. Danke für den interessanten Hinweis.«
    »Ich gebe Ihnen jederzeit gerne wieder welche.«
    Wir gaben uns die Hand.
    »Warten Sie hier, es kann eine Weile dauern«, sagte er und sah dabei

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