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Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Titel: Jamey. Das Kind, das zuviel wußte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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jetzt doch ins normale Zellenhaus schicken, da wird er Tag und Nacht eingesperrt. Wenn in der Sonderabteilung ein Zimmer frei wird, kann er da wieder hin.«
    »Sie jonglieren ja ganz schön mit den Leuten rum.«
    »Wir spielen mit lebenden Granaten. Aber nicht, dass Sie glauben, unsere Arbeit hier tauge nichts. Die Leute wollen, dass Kriminelle hinter Schloss und Riegel kommen. Aber für ihre Unterbringung bezahlen, das wollen sie nicht. So wie die Dinge nun mal sind, haben wir immer noch das beste System der ganzen Gegend. Hier sind so viele Gewalttäter, dass man eine ganze Kleinstadt damit bevölkern könnte, und trotzdem läuft der Betrieb. Nehmen Sie zum Beispiel die Aufnahmeprozedur. Wenn ein Junge hierher kommt, müssen wir erst mal herausfinden, ob er zu irgendeiner Gang gehört, damit wir wissen, wo wir ihn hinstecken sollen. Manche Banden verstehen sich, andere befehden sich, und ihre Mitglieder gehen sofort aufeinander los. Bis vor kurzem hatten wir nicht mal Computer, aber Irrtümer gab es trotzdem fast nie. Wenn wir Fehler machen würden, wären die Gänge mit Blut bespritzt, aber wie Sie sehen, ist noch alles schön gelb.«
    »Und blau«, ergänzte ich.
    »Stimmt. Die klassischen Therapiefarben. Wahrscheinlich hat ein Psychologe die Architekten beraten und ihnen gesagt, dass sie beruhigend wirken.«
    Das Telefon schellte, und Montez nahm den Hörer ab. Er sagte, man solle Cochran von 7100 auf 4500 verlegen und müsse noch prüfen, ob Lopez und Boutillier wirklich wegen ihrer Beinentzündung auf die Krankenstation müssten, dann hängte er ein und stand auf.
    »Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen jetzt die Abteilungen zeigen. Dann bringe ich Sie zu Ihrem Patienten.«
    Zuerst zeigte mir Montez die geschlossene psychiatrische Abteilung, 35 verschließbare Krankenzellen für schwere Psychofälle. Auf fünf Türen stand »Frauen«, aber drei davon waren doch mit Männern belegt. Durch ein kleines Gitterfenster konnte man in jeden Raum hineinsehen. Unter den Fensterchen waren Schilder mit den Namen der Patienten angebracht. Auf manchen standen auch verschlüsselte Nachrichten. Montez erklärte mir, dass dort Hinweise für die Wächter ständen, worauf sie besonders zu achten hätten. Zum Beispiel Selbstmordgefährdung, Drogenabhängigkeit, Unberechenbarkeit, Debilität, Aggressivität, Krankheitsanfälligkeit, körperliche Behinderungen. Durch eines der Fenster sah ich einen Beinamputierten ohne Zähne, der auf Stümpfen am Boden hockte. Auf seinem Schild stand, dass er unberechenbar und aggressiv sei.
    Der Sozialarbeiter ermunterte mich, mir die Insassen genauer anzusehen. Ich folgte seiner Aufforderung, obwohl ich das unangenehme Gefühl hatte, indiskret zu sein. Die Zellen waren winzig, nur 2 mal 2,5 Meter groß. Nur ein Bett und eine Kommode aus Metall standen darin. Die meisten Patienten lagen auf ihrem Bett, eingerollt in zerknitterte Decken. Einige schliefen, andere starrten mit leeren oder verzweifelten Blicken zur Decke. In der Frauenabteilung sah ich eine Schwarze, die auf ihrer Kommode hockte. Bevor ich wegschauen konnte, begegneten sich unsere Blicke, sie grinste herausfordernd, spreizte die Beine und zeigte ihr entblößtes Geschlecht. In einer anderen Zelle sah ich einen weißen Dreizentnermann, über und über mit Tätowierungen bedeckt, er stand da, in völliger Starre und mit stier dreinblickenden Augen. Und in der Nachbarzelle stand ein junger Schwarzer mit der Figur einer Statue und einem kahl geschorenen Kopf. Seine Lippen bewegten sich pausenlos. Man konnte nur gedämpft hören, was er sagte, aber ich las es den Bewegungen seines Mundes ab: »Fick mich doch, fick mich doch«, wiederholte er wieder und wieder.
    Ich sagte Montez, dass ich genug gesehen hätte. Daraufhin verließen wir die Station und gingen zum Aufzug zurück. Während wir auf den Lift warteten, fragte ich Montez, weshalb Jamey in keinem der Zimmer sei.
    »Er gilt als zu gefährlich. Er ist auf der Abteilung der ganz schweren Jungs. Ich erzähle Ihnen gleich mehr darüber.«
    Schließlich war der Aufzug da, wir gingen hinein, Montez betätigte einen Knopf und lehnte sich im Fahren gegen die Tür.
    »Na, was halten Sie von alldem?«
    »Ganz schön hart«, gab ich zur Antwort.
    »Was Sie bisher gesehen haben, war das Hilton. Die Anwälte sind ganz scharf darauf, ihre Leute dort unterzubringen, und viele Insassen spielen verrückt, nur um hinzukommen, weil man dort sicher ist. Niemand wird vergewaltigt oder verletzt. Im Hafthaus

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