Jamey. Das Kind, das zuviel wußte
Kriminelle. Psychiater werden nur als Mittel angesehen, die Prozesse schneller in Gang zu bringen.«
»Leuchtet ein«, sagte ich.
Er nickte.
»Ich erzähle Ihnen das deshalb, weil ich immer wieder von Therapieleuten gefragt worden bin, nach welcher Methode wir hier vorgehen. Aber wir haben keine. Es ist hier wie auf einer riesigen Koppel. Da werden sie reingepfercht, und wir tun alles, damit sie beim Termin einigermaßen bei Gesundheit sind. Selbst wenn wir Zeit für psychologische Behandlung hätten, glaube ich kaum, dass das den Jungs hier helfen würde. Ungefähr fünfzehn Prozent haben echte seelische Störungen, und hier geht es ihnen schlechter als in der richtigen Psychiatrie. Es sind Kranke, die dazu noch Mörder, Frauenschänder, Räuber sind. Außerdem haben wir noch welche hier, die wegen Gemeingefährlichkeit nicht gegen Kaution freigelassen werden dürfen. Dann kommen noch die ganz hoffnungslosen Fälle; sie drehen Dinger, aber können nicht mal ein Zehntel der niedrigsten Kaution bezahlen. Die meisten von ihnen haben einen Hau.«
»Bekommen die Leute hier Psychopharmaka?«
»Wenn sie einen Arzt draußen haben, der bereit ist, sich um sie zu kümmern, der Medikamente verschreibt und auf die richtige Dosierung achtet, so wie bei Cadmus, dann bekommen sie was. Sonst nicht, denn wir haben keine geeigneten Leute für so was. Im ganzen Gefängnis gibt es nur einen Psychiater, der kommt nur ab und zu vorbei. Fünf Schwestern sind im ganzen Knast, das reicht hinten und vorne nicht. Einfache Beamte können das nicht leisten.«
Ich versuchte mir vorzustellen, was es für mehrere tausend psychisch Kranker bedeuten musste, eingesperrt zu sein ohne ärztliche Betreuung, und ich fragte ihn, wie lange die Haft durchschnittlich dauerte.
»Oft sind es Tage, nicht mal Wochen. Es kommt natürlich darauf an, wie schnell die Dinge vorangetrieben werden. Wir müssen sehen, dass wir immer so viele entlassen, wie Neue eingeliefert werden, sonst wüssten wir nicht, wohin damit. Im Sommer schlafen sogar welche oben unterm Dach; wenn es wieder kälter wird, kommen sie auf den Flur. Es kommt auch vor, dass jemand, der schon längst hätte entlassen werden können, immer noch bleibt, weil seine Papiere nicht bearbeitet wurden oder weil der Anwalt nichts taugt. Überhaupt die Anwälte: Viele von denen machen einen Riesenwirbel, reichen Gesuche ein, verstehen aber nicht genug von der Juristerei und verschlimmern die Lage ihrer Klienten nur.«
»Manche bestimmt, aber doch nicht alle«, wandte ich ein.
Montez lächelte nur und klopfte sich mit dem Totschläger gegen die Vorderzähne.
»Vor zwei Stunden habe ich von oben die Anweisung bekommen, Sie hier herumzuführen. Und da sind wir nun. Daran können Sie sehen, dass es auch andere Anwälte gibt. Mr. Souza hat ganz erheblichen Einfluss.«
»Es ist sehr freundlich von Ihnen, dass Sie mir Ihre Zeit opfern.«
»Das macht mir gar nichts aus, so komme ich mal von dem Verwaltungskram weg.«
Er kaute auf seinem Bonbon, schluckte es herunter und nahm sich ein neues. Plötzlich hörte ich einen lauten Schrei, auf den noch weitere folgten. Mehrere dumpfe Schläge dröhnten gegen die Wand neben uns, offenbar wurde die Holzbank gegen die Mauer geschleudert. Wieder wurden Schreie laut, man hörte eilige Fußtritte, ein heftiges Stöhnen, dann war alles ruhig. Montez saß die ganze Zeit über da, ohne die geringste Reaktion zu zeigen.
»Mark wird wieder eingesperrt«, sagte er.
»Der blonde Junge?«
»Ja, nächste Woche ist seine Verhandlung. Wir dachten, er beruhigt sich allmählich, aber das kann man nie vorhersagen.«
»Was wirft man ihm vor?«
»Er hat Unmengen PCP geschluckt und dann versucht, seine Freundin umzulegen.«
»Warum wird er nicht in eine normale Zelle gesperrt?«
»Er ist seelisch zu sehr gestört und - viel zu attraktiv, um ins Zellenhaus zu kommen. Für die Krankenstation ist er nicht krank genug. Wir haben für solche Fälle eine Station mit 35 Räumen, Einzelzimmer für Gefangene, die für den normalen Vollzug nicht geeignet sind. Dort war er zuerst, aber als er allmählich wieder klarer war im Kopf, kam er hier zu uns. Da können sie hin und her laufen, und es passt immer jemand auf sie auf. Heute Morgen wirkte er schon ziemlich verstört, deshalb haben sie ihn gefesselt. Es scheint wieder bergab mit ihm zu gehen. Das ist typisch für diese Drogenleute. Eigentlich müsste er wieder in ein Einzelzimmer, aber wir haben keins frei. Deshalb müssen wir ihn
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