Jammerhalde: Tannenbergs siebter Fall
den Förster ins Visier. »Eigentlich sehr schade, denn wenn es Jagdterrier gewesen wären, hätten wir schon mal ein paar, die wir untersuchen könnten. Meine Kollegen haben mir berichtet, dass Sie auf dem Antonihof über ein Dutzend dieser Hunde halten. Gehören die etwa alle Ihnen?«
»Nein, zur Zeit sind auch unsere Hunde dort«, warf der Rottenführer ein. »Die stammen wie gesagt aus dem selben Zwinger. Und da …«
»Verstehe, Herr Cambeis«, würgte ihn Tannenberg ab. »Das ist wohl so etwas wie eine Familienzusammenführung. Gute Idee! Unter Jagdfreunden auch nicht anders zu erwarten. Vielleicht unterhalten Sie ja auch gemeinsam ein Fuchsgehege.«
»Sie reden vielleicht ein Blech, Mann«, mischte sich Kreilinger ein. »Was ist denn eigentlich mit meinen Waffen? Sind die schon auf Blutreste untersucht worden?«
»Ja, das sind sie«, antwortete Dr. Schönthaler.
»Und?«, drängte der Revierförster.
»Auf diesen mittelalterlichen Kriegswaffen waren keinerlei Blutspuren vorhanden.«
»Na, sehen Sie. Das hab ich doch gleich gewusst«, freute sich Kreilinger. »Dann kann ich jetzt wohl nach Hause gehen.«
Tannenberg lachte. »Nein, nein, das geht nicht.«
»Wieso? Meine Hunde sind unschuldig, meine Waffen sind unschuldig – ich bin unschuldig!«
»Oh, welch vortreffliche Wortwahl, mein lieber Herr Förster«, flötete der Leiter des K 1. »Könnte glatt im ›Wilhelm Tell‹ stehen.« Er grinste über alle Backen. »Wissen Sie, ich halte Sie zwar nicht unbedingt für eine Intelligenzbestie, aber so doof, diese Waffen im Keller Ihres eigenen Hauses aufzubewahren, dürften noch nicht einmal Sie sein.«
Bevor sich Kreilinger richtig echauffieren konnte, konfrontierte ihn der Kriminalbeamte mit einem anderen Ermittlungsergebnis. »Beschäftigen wir uns einmal mit Ihren Alibis, Herr Kreilinger. Mit Alibis, die bei näherem Hinsehen ja gar keine sind, weil Sie nämlich für die entscheidenden Zeiträume keine Zeugen haben – nicht einen!«
Mit einer ausladenden Handbewegung erteilte er seinem jungen Mitarbeiter das Wort: »Michael, dein Part.«
Kommissar Schauß hatte seinen Auftritt offensichtlich völlig verschlafen. Er benötigte einen Moment, bis er die neue Situation realisiert hatte. Doch dann trat er selbstbewusst wie ein Solosänger einen Schritt nach vorne und verkündete: »Sie haben vorhin bei der Befragung im K 1 angegeben, dass Sie zu den maßgeblichen Zeiten zu Hause in Ihrem Bett waren und geschlafen hätten.«
Erläuternd fügte er hinzu: »Wobei sich diese Angaben auf die von der Rechtsmedizin ermittelten Tatzeiten der ersten beiden Morde bezogen haben. Und bei dem Tötungsdelikt vorletzte Nacht waren Sie angeblich alleine auf der Jagd. Was auch wiederum niemand bezeugen kann. Das sind die knallharten Fakten, Herr Kreilinger.«
»Ja, und? Das beweist doch überhaupt nichts! Muss ich mir in Zukunft jedes Mal einen Zeugen mitnehmen, wenn ich auf den Hochsitz klettere oder ins Bett gehe?« Er machte Anstalten sich zu erheben.
Tannenberg bot ihm mit einer Geste Einhalt. »Bleiben Sie bitte sitzen. Sie haben ja recht, denn zunächst einmal beweist das wirklich nichts. Aber lassen Sie uns bitte der Reihe nach vorgehen. Meine Mitarbeiter haben nicht nur Ihres, sondern auch die Alibis Ihrer Vereinskollegen überprüft.«
»Stimmt. Aber auch das war bislang nicht sonderlich ergiebig«, erklärte Michael Schauß. »Wobei ich allerdings betonen möchte, dass die erforderlichen Nachprüfungen noch nicht abgeschlossen sind. So viel lässt sich jedoch schon sagen: In der vorletzten Nacht haben Sie sich alle …«
»Außer Herrn Dr. Weißmann«, betonte Tannenberg.
Kommissar Schauß nickte und richtete seinen Blick auf den Institutsleiter. »Außer Ihnen haben Sie sich alle in Johanniskreuz bei diesem Krimi-Event aufgehalten.«
»Wo waren Sie denn eigentlich, Herr Dr. Weißmann? Vielleicht waren Sie ja doch in Johanniskreuz.« Wolfram Tannenberg griff an seinen Hinterkopf, ertastete das Pflaster und strich vorsichtig darüber. »Vielleicht haben ja Sie das Attentat auf mich verübt.«
»Was? Nein, nein, ich war zu Hause und habe, habe bis tief in die Nacht ein Buch gelesen.«
»Etwa eines über den 30-jährigen Krieg?«, konnte sich Tannenberg nicht verkneifen.
»Nein, einen historischen Roman. Aber der spielt im alten Rom.«
»Kann das wenigstens jemand bezeugen?«
»Nein, ich …« der Institutsleiter legte eine kleine Pause ein und schniefte. »Ich lebe allein.« Er schluckte hart.
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