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Jammerhalde: Tannenbergs siebter Fall

Jammerhalde: Tannenbergs siebter Fall

Titel: Jammerhalde: Tannenbergs siebter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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eigenwillige Hauptkommissar mit einer bewährten Strategie, die den Quälgeist unter seiner Schädeldecke auch meist sofort verstummen ließ. Er sprang in sein BMW-Cabrio und gab Mertel ein Zeichen, es ihm gleichzutun. Dann drehte er seine Stereoanlage fast bis zum Anschlag auf. Er wusste, dass der Sampler mit seinen Deep-Purple-Lieblingssongs eingelegt war. Die Anfangstakte von ›Speed-King‹ dröhnten aus den Boxen. Er ließ den Motor aufheulen, trommelte den rasanten Rhythmus auf dem Lenkkrad und sang dazu mit grotesk verzerrtem Mienenspiel den Text:
»Good golly, said little miss molly
When she was rockin’ in the house of blue light
Tutti frutti was oh so rooty
When she was rockin’ to the east and west
Lucille was oh so real
When she didn’t do her daddies will
Come on baby, drive me crazy – do it, do it«
    Tannenberg wartete ungeduldig, bis Mertel sich endlich angeschnallt hatte. Dann ließ er die Reifen durchdrehen und brauste los. Dabei nahm er weder die entsetzten Blicke der Polizeischüler wahr, noch das amüsierte Kopfschütteln der Kriminaltechniker, denen seine anfallsweisen Marotten hinlänglich bekannt waren.
»I’m a speed king – you go to hear me sing
I’m a speed king – see me fly.«
    »Diese geile Musik verleiht einem doch Flüüügel«, schrie er gegen die Hardrocker an. Er gab Mertel einen kleinen Schubs und ergänzte mit leiserer Stimme: »Auch ohne, dass ich mir diese eklige Taurinbrühe reingeschüttet hätte.«
    Das feuerrote Cabrio donnerte den parallel zum Berghang verlaufenden, beschatteten Waldweg entlang. An der ersten Abzweigung bremste Tannenberg plötzlich scharf ab. Er schaltete die Musik aus, horchte angestrengt in den Wald hinein. Als er aus nordöstlicher Richtung den Lärm aufheulender Kettensägen vernahm, drehte er die Anlage wieder hoch und gab Vollgas.
    Er warf einen kurzen Seitenblick auf seinen Kollegen. Die Tatsache, dass aus dessen Gesicht die Farbe inzwischen gänzlich verschwunden war, quittierte der selbsternannte Rallyefahrer mit einem breiten Grinsen.
    Der nun in gleißendes Sonnenlicht getauchte Forstweg führte offensichtlich direkt zur Universitätswohnstadt. Man sah bereits die ersten Hochhäuser mit ihren blitzenden Fensterflächen. Tannenberg schaute kurz in den grellen Lichtschein. Er wurde davon so stark geblendet, dass er einen Moment lang nur noch Sternchen sah.
    Wie aus dem Nichts tauchte urplötzlich vor ihm auf dem Waldweg ein pyramidenförmiges Warndreick auf: ›Holzfällung – Vorsicht Lebensgefahr!‹ stand darauf zu lesen. Trotz einer Vollbremsung konnte er nicht mehr ausweichen und schlitterte darüber hinweg. Mertel wurde so abrupt nach vorne geschleudert, dass er sich reflexartig mit beiden Händen auf dem Armaturenbrett abstützte und dabei die Stereoanlage ausschaltete. Vom Heck des Autos her wurde der alte 3er-BMW von seiner eigenen Staubwolke eingeholt.
    Während sich die beiden Kriminalbeamten hüstelnd umblickten, ertönte von rechts her ein fürchterlich lautes, splitterndes Krachen, das kurz darauf in ein peitschenartigen Rauschen überging. Erschrocken blickten sie zur Lärmquelle. Hinter einem Spalier junger Fichten tauchte eine circa vierzig Meter hohe Douglasie auf, die sich zu ihnen herabneigte. In Todesangst warfen sich die Männer ihre Arme über die Köpfe, zogen die Hälse ein, schlossen die Augen und pressten sich in die schwarzen Ledersitze hinein.
    Jetzt ist alles vorbei, dachte Tannenberg.
    Nur einen Wimpernschlag später rauschte der mächtige Nadelbaum wie eine überdimensionale Schranke an ihnen vorbei quer über den Weg. Beim Aufprall bebte der Waldboden. Die Douglasie wippte noch ein paarmal auf und ab und erzeugte dabei ein gruseliges Geräusch. Es hörte sich an, als ob sie sich mit einem gequälten Ächzen von ihrem langen Leben verabschieden wollte. Danach war es auf einmal ganz still.
    Vorsichtig schob Tannenberg die Ellbogen auseinander und lugte durch den Spalt hindurch. Die von dem fallenden Baum verursachte Windböe hatte die Staubwolke um ihn herum weggefegt. Nun konnte er die Umgebung wieder deutlicher erkennen. Dort, wo noch vor ein paar Sekunden rötliche Farbe das Sichtfeld dominiert hatte, war nun alles sattgrün und braun. Von dem sandigen Forstweg war nichts mehr zu sehen. Selbst die rote Kühlerhaube des Autos war von dichtem Astwerk bedeckt. Die dünnen Enden eines Zweiges ragten über die Windschutzscheibe hinweg und berührten Mertels Kopf.
    »Da haben wir wohl gerade noch einmal

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