Jammerhalde: Tannenbergs siebter Fall
umgehen.«
Der größere der beiden schmauchenden Forstwirte warf gelangweilt den Kopf ins Genick und blies den inhalierten Rauch wie durch eine Düse nach draußen. Die Zigarette lässig im Mundwinkel hängend forderte er keck: »Sagen Sie nun endlich, was Sie von uns wollen.«
Er zog geräuschvoll die Nase hoch und spuckte den Schleim vor sich auf den Boden. »Ich muss nämlich nur noch ein bisschen an der Douglasie rumsägen, dann ist endlich Schluss für heute. Und dann fahr ich zu meiner Freundin – erst Pimpern und anschließend geht’s ab ins Schwimmbad.«
»Stimmt es, dass heute schon mal jemand von uns bei Ihnen war, so um die Mittagszeit herum?«, fragte Tannenberg, der sich von dieser Provokation nicht aus dem Konzept bringen ließ. Er hielt inne, registrierte zufrieden, wie einige Waldarbeiter sich vielsagende Blicke zuwarfen, während der aufmüpfigste von ihnen nur unbeeindruckt die Schultern lupfte. »Unsere junge Kollegin hat uns nämlich davon berichtet«, schob er nach.
»Ja, ja, ich erinnere mich genau«, sagte der vorlaute Wortführer. »Mann, war das eine Spitzentussi. Hatte die ein megageiles Fahrgestell! Und die ist wirklich bei euch Bullen? Ohne Scheiß?« Als niemand auf seine Frage reagierte, ergänzte er: »Das glaub ich nicht! Von uns hat ihr das jedenfalls keiner abgenommen. Wir haben gedacht, die ist von der Zeitung und will uns verscheißern.«
»So. Aber uns beiden nehmen Sie doch ab, dass wir bei der Polizei sind, oder?«
»Selbstverständlich, Chef.«
»Gut. Dann die Frage an Sie alle, meine Herren: Hat jemand von Ihnen in der letzten Zeit im Wald und speziell oben an der Jammerhalde irgendwelche Beobachtungen gemacht? Zum Beispiel bezüglich einer Person, die sich auffällig verhalten hat, oder ein Auto, das im Wald nichts zu suchen hat – oder irgendetwas anderes?«
Allseitig stummes Kopfschütteln.
»Was sind denn das hier für Gerätschaften?«, ertönte plötzlich Mertels Stimme hinter dem Bauwagen.
Konrad Cambeis wusste dem Anschein nach sofort, was der Kriminaltechniker gemeint hatte. »Das ist unser Werkzeugcontainer«, antwortete er umgehend.
»Wolf, kommst du mal?«, rief Mertel mit anschwellender Stimme. »Das glaubst du nicht!«
Hastigen Schrittes eilte Tannenberg zu seinem Kollegen, der neben einem grauen Metallcontainer stand.
»Schau dir das mal genauer an«, forderte der Spurenexperte. Als Tannenberg jedoch Anstalten machte, in die kaum ein Meter fünfzig hohe Metallbox hineinzuklettern, stellte er sich ihm in den Weg. »Dieser Container ist ab sofort versiegelt, auch für dich!«
»Okay, okay«, entgegnete Tannenberg und machte dabei eine beschwichtigende Geste. »Das sind doch genau die Dinger, die …« Den Rest behielt er für sich. Anschließend drehte er sich um und richtete das Wort an den Rottenführer. »Erklären Sie mir mal, was Sie mit diesen komischen Dingern da machen.«
»Sie meinen die Praxen?«
»Wenn diese komischen Dinger so heißen, dann meine ich genau die.« Sein Finger zeigte nach wie vor auf die Waldarbeiter-Werkzeuge, die exakt so aussahen wie dasjenige Gerät, welches die Polizeischüler an der Jammerhalde entdeckt hatten.
Mehrere Praxen lagerten auf dem Boden des Containers, links und rechts eingerahmt von Spaltkeilen und kleinen Kanistern. An den Wänden hingen oder standen Äxte, Schäleisen, Spalthämmer, Baumrindenschaber, Kultursicheln und Gertel.
»Die Praxe verwenden wir eigentlich zum Entasten und Kultivieren«, erklärte Cambeis.
»Was heißt ›eigentlich‹?«, wollte sogleich Mertel wissen.
»›Eigentlich‹ heißt, dass wir die Praxen nur noch ganz, ganz selten verwenden. Wissen Sie, früher …«
»Sind sie vollzählig?«, würgte ihn Tannenberg ab.
»Ich weiß nicht.«
»Wie, Sie wissen nicht? Führen Sie denn keine Inventarliste?«
Mertel hielt bereits ein Heft mit dem Bestand der Werkzeugbox in der Hand, das er auf dem Boden des Containers entdeckt hatte. Allerdings war der letzte Eintrag über zwei Jahre alt. Er zeigte ihn seinem Kollegen.
»Sauhaufen«, schimpfte der Leiter des K 1. »Ist der Kasten wenigstens abgeschlossen, wenn niemand von Ihnen hier ist?«
Cambeis stieß geräuschvoll einen Schwall Atemluft aus. »Also, abends schon, wenn wir Schluss machen.« Er räusperte sich verlegen. »Aber, wenn wir alle beim Holzeinschlagen sind, ist eben keiner direkt in der Nähe.«
»Sauhaufen, elender«, wiederholte Tannenberg.
»In der Bestandsliste sind fünf dieser Praxen aufgeführt«,
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