Jammerhalde: Tannenbergs siebter Fall
Deut von seiner Behauptung abbringen. »Selbstverständlich gibt es diesen Zusammenhang!«, beharrte er. »Das liegt doch wohl auf der Hand.«
»Also, tut mir wirklich leid, das kann ich nicht …«
»Aber, warum denn nicht? An deiner Stelle würde ich mich auf alle Fälle mal im Pfalzinstitut am Benzinoring kundig machen. Wende dich am besten direkt an die Hanne. Die ist die freundlichste von denen. Und außerdem hat sie sehr viel Ahnung von unserer Stadtgeschichte.«
»Welche Hanne?«
»Na ja, die Hanne halt«, brummelte er. Sein Gesicht leuchtete förmlich auf. »Johanna von Hoheneck. Sie arbeitet dort als Historikerin. Kannst ihr ruhig einen schönen Gruß von mir ausrichten. Das ist eine ganz liebe Frau.« In seinen Augen zeigte sich ein merkwürdiger Glanz.
Tannenberg war zwar bekannt, dass sein Vater zum Zwecke der Ahnenforschung ab und an das Institut für pfälzische Geschichte und Volkskunde aufsuchte. Aber diesen Namen hatte er noch nie gehört. Irritiert schwenkte sein Blick hinüber zum Modell der Hohenecker Burgruine.
Jacob schmunzelte. »Wie ich sehe, hast du es endlich kapiert! Die Hanne ist ein direkter Abkömmling des alten Adelsgeschlechts derer von Hoheneck.« Nun grinste er über alle Backen. »Übrigens, Junior: Du solltest das Gedächtnis eines alten Mannes nicht überschätzen. Vielleicht täusche ich mich ja auch und die Daten stimmen gar nicht.« Er ließ den 50-Euro-Schein, den er die ganze Zeit über in der Hand gehalten hatte, in seiner Hosentasche verschwinden. »Hast du eigentlich schon die Mordakten aus den 70er Jahren gefunden? Vielleicht ist das ja doch die heißere Spur.«
Wolfram Tannenberg stürmte wutentbrannt aus dem Kellerraum.
Hat der alte Fuchs mich doch gerade wieder einmal eiskalt abgezockt, schimpfte Tannenberg in Gedanken, als er die Beethovenstraße entlanglief. Ein Zusammenhang mit dieser uralten Geschichte – was für ein Quatsch! Hat dieser hinterhältige Kerl mich schon wieder gelinkt. Er schüttelte den Kopf und beobachtete eine getigerte Katze, wie sie sich gerade unter einem geparkten Auto versteckte. Da hab ich mir wohl einen gewaltigen Bären aufbinden lassen.
Plötzlich blieb er stehen. Und was ist, wenn er recht hat und die beiden Daten doch übereinstimmen?, fragte er sich. Vielleicht gibt es ja tatsächlich einen Zusammenhang zwischen den Morden und diesem Massaker von damals. Ist zwar unwahrscheinlich, aber was hab ich in den letzten Jahren nicht schon alles erlebt.
Er machte kehrt und schlug die andere Richtung ein. Sein betagtes BMW-Cabrio stand mit geöffnetem Verdeck in der Garage. Gedankenversunken glitt er auf den schwarzen Ledersitz. Routinemäßig versenkte er zuerst einmal per Knopfdruck die Seitenscheiben. Von Windschutzvorrichtungen hielt er nämlich überhaupt nichts. Entweder richtiges Cabriofeeling oder gar keins war seine Maxime.
Wie in vielen anderen Dingen auch, existierten für ihn ausschließlich diese beiden Alternativen, an mögliche Kompromisslösungen verschwendete er keinen einzigen Gedanken. Cabriofahrer, die Angst vor dem schneidenden Fahrtwind hatten, waren für ihn Schicki-Micki-Weicheier, denen man die Autos schnellstmöglich konfiszieren sollte.
Kaum hatte er die Fahrertür zugeschlagen, schon erklang vom Inneren seines Elternhauses her ein dröhnendes Hundegebell. Kurz darauf stürmte Kurt in den Innenhof. Mit einem riesigen Satz sprang er in den feuerroten BMW und ließ sich hechelnd auf der Rückbank nieder. Die lautstarke Aufforderung zum sofortigen Verlassen des Autos quittierte er wie üblich mit einem störrischen Brummen.
Kopfschüttelnd winkte Wolfram Tannenberg ab und fuhr los. Er nahm den Weg über die Barbarossastraße. Auf Höhe der Gebrüder Pfeiffer AG schwenkte er in den Barbarossaring ein. Er passierte den Messeplatz, überquerte erst die Ost-West-Achse und dann die Mainzer Straße. Wie stets, wenn er an der Ampel am Gersweiler Weg eintraf, empfing sie ihn auch diesmal in ihrem schönsten Rot.
Kurt hatte sich inzwischen in voller Größe auf der Rückbank aufgerichtet. Der Zwangsstopp war eine gute Gelegenheit, um dem geliebten Herrchen wieder einmal innigste Zuneigung zu bekunden, fand Kurt jedenfalls. Von hinten legte er ihm eine Pranke auf die Schulter und zog ihm seine Riesenzunge übers Ohr. Passanten, die gerade die Straße überquerten, zeigten lachend zu ihnen herüber.
Zum Glück änderte die Ampel bereits ein paar Sekunden später ihre Farbe und befreite Tannenberg von den
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