Jammerhalde: Tannenbergs siebter Fall
Zudringlichkeiten der anhänglichen Hundedame. Als er nach einer sanften Straßenbiegung Einblick in die lange Gerade des Benzinorings erhielt, entdeckte er schon von weitem einen Funkstreifenwagen. Er stand mit kreisendem Blaulicht quer auf der Fahrbahn. Ein paar Meter davor leiteten zwei Schutzpolizisten den Verkehr um.
Der rote 3er-BMW erreichte die Absperrung. Ein uniformierter Beamter nickte dem Leiter des K 1 zu und ließ ihn passieren. Tannenberg parkte sein Privatauto unmittelbar hinter der Abzweigung zur Ottostraße. Mit eindringlichen Worten befahl er seinem Hund, im Wagen zu bleiben. Kurt ließ die Anweisungen seines Herrchens in stoischer Ruhe über sich ergehen.
Das Institut für pfälzische Geschichte und Volkskunde war in einer mit ockerfarbenen Backsteinklinkern verkleideten alten Villa untergebracht. Der Haupteingang grenzte an den Benzinoring und lag zu dieser frühen Morgenstunde im Schatten. Das ornamentreiche Sandsteinportal wurde von zwei Rundsäulen eingerahmt. Eigentlicher Blickfang aber war eine prächtig verzierte Hartholztür, über welcher der in den rötlichen Sandstein eingemeißelte Schriftzug ›Salve‹ prangte.
Plötzlich ertönte aus Richtung der Siegfriedstraße, wo sich der Nebeneingang und Parkplatz des Instituts befanden, eine laute, sich überschlagende Männerstimme. Tannenberg beschleunigte seine Schritte. Nachdem er die Seitenstraße erreicht hatte, blickte er hinunter in die leicht abschüssige Gasse. Auf dem linken Bürgersteig hatten sich mehrere seiner uniformierten Kollegen auf beiden Seiten der Institutseinfahrt postiert und richteten ihre Dienstwaffen auf die Westseite des Gebäudes.
Dann entdeckte er Krummenacker. Der Kriminalhauptmeister lehnte hinter einem weit überhängenden Fliederbusch mit dem Rücken an einem schmiedeeisernen, mit gedrehten Spitzen bewehrten Zaun und schmauchte genüsslich eine Zigarette. Die Angelegenheit schien ihn nicht sonderlich zu tangieren. Tannenberg ging zu ihm hin und begrüßte ihn mit einem Nicken.
»Was ist denn hier los?«, fragte er flüsternd.
Krummenacker wies mit dem Daumen seiner geschlossenen Faust hinter sich. »Och, da hat einer anscheinend heute Morgen mal wieder nichts anderes zu tun und läuft eben ein bisschen Amok«, bemerkte er trocken.
Tannenberg blickte an ihm vorbei durch die Metallgitter und sah einen etwa 40-jährigen, sportlichen Mann, der am oberen Ende einer Außentreppe stand. In seinen Händen hielt er eine Axt.
Unterdessen fuhr der altgediente Kriminalhauptmeister fort: »Bei diesen liebestollen Kerlen geht es ja immer um ein und dasselbe: Der will offenbar nicht kapieren, dass seine Angebetete nichts mehr von ihm wissen will. Ich hab sicherheitshalber schon mal einen Psycho verständigt. Wenn wir ihn festgenommen haben, kann der dann wieder stundenlang mit ihm quatschen. Und was ändert sich?«
Tannenberg wusste, was nun wieder kam und schwieg deshalb.
»Nichts, rein gar nichts! Übermorgen steht der wieder da. Was wir machen, ist doch eigentlich völlig überflüssig. Denn wir nehmen diese durchgedrehten Typen fest – und die Justiz lässt sie wieder laufen«, schimpfte er. Er inhalierte tief und stieß anschließend den Rauch durch die Nase aus. »Die Menschen werden immer verrückter. Mich wundert überhaupt nichts mehr.«
»Hast ja recht, altes Schlachtross.«
Krummenacker krauste die Stirn und musterte Tannenberg mit einem skeptischen Blick. »Was willst du denn eigentlich hier? Bis jetzt gibt es doch noch gar keinen Todesfall zu vermelden.«
»Ich bin rein zufällig hier vorbeigekommen«, log der Leiter der Mordkommission. Inzwischen hegte er nämlich wieder gewaltige Zweifel an dem Sinn seines Vorhabens. Er wurde einfach das Gefühl nicht los, erneut Opfer der Geldgier und Spielleidenschaft seines Vaters geworden zu sein. »Ihr wisst also schon, wer dieser Verrückte ist?«
»Ja, klar wissen wir das«, gab Krummenacker gelassen zurück. »Alexander Fritsche, 39 Jahre alt, ehemaliger Bankangestellter, zur Zeit arbeitslos. Will wohl jetzt als Stalker Karriere machen. Stalking – als ob wir nicht schon genügend Irre hätten. Und jetzt auch noch dieser Amikram.«
Dieser Ausspruch hätte genauso gut von meinem alten Herrn stammen können, dachte Tannenberg.
»Johanna, komm sofort raus, sonst schlag ich die Tür ein«, brüllte währenddessen der zudringliche Verehrer.
»Wenn Sie das tun, sind wir gezwungen, von der Schusswaffe Gebrauch zu machen«, verkündete ein
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