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Jammerhalde: Tannenbergs siebter Fall

Jammerhalde: Tannenbergs siebter Fall

Titel: Jammerhalde: Tannenbergs siebter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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auch. Hab ich dir das eigentlich schon gesagt?«
    »Ja, gerade eben. Weiter!«
    Mit gönnerhafter Mimik gab der Pathologe dem Drängen nach. »Also«, fuhr er fort, wobei er das Wort wie einen Kaugummi in die Länge zog. »Über diese kleinen Stichkanäle wurde beiden Männern T61 injiziert – und zwar direkt in die Lungen.«
    »Und was ist das für ein Teufelszeug?«
    »Das war schon wieder ein begrifflicher Volltreffer! Respekt! Du bist heute anscheinend in Höchstform. Diese Bezeichnung könnte passender nicht sein. Denn einer der Inhaltsstoffe dieses Teufelszeugs ist Mebezonium, ein Gift, das die Muskulatur lähmt, auch die Herz- und Atemmuskulatur. Es hat einen ähnlichen Einfluss auf den menschlichen Körper wie Curare.«
    »Dieses Pfeilgift der Eingeborenen?«
    »Ja, genau.«
    »Und wie wirkt dieses Zeug?«
    »Tja«, seufzte der berufserfahrene Gerichtsmediziner, »die Wirkung ist tatsächlich teuflisch. Man kann das gar nicht anders ausdrücken.« Er schüttelte den Kopf, seufzte erneut.
    »Los, weiter!«, drängte Tannenberg.
    »Okay. Also: Die beiden Menschen wurden bei vollem Bewusstsein zu Tode gefoltert. Gleich nach der Injektion hat dieses Präparat ihre Atmung stark beeinträchtigt und ein langsamer, qualvoller Erstickungstod begann. Dieses Martyrium hat viele, endlose Minuten lang gedauert. Während ihres Todeskampfes hatten die Männer fürchterliche Krämpfe und Schmerzen, die ihnen sicherlich Höllenqualen bereitet haben. Im Verlauf dieses erbärmlichen Krepierens haben sie geschrien, gebrüllt vor Schmerzen. Allerdings waren das stumme Schreie, Schreie, die niemand hören konnte. Das musst du dir wirklich einmal vorstellen: Diese armen Leute waren bis zu ihrem qualvollen Tod bei Bewusstsein!«
    Tannenberg hatte sich im Verlauf dieses kleinen Vortrags fassungslos auf die Schreibtischkante niedersinken lassen. »Woher weißt du denn das alles?«, keuchte er.
    »Dieses Präparat wird in der Tiermedizin schon seit vielen Jahren zum Einschläfern verwendet.« Er legte eine kleine Pause ein, während der er sich mehrfach räusperte. »Wobei man zur Ehrenrettung meiner veterinärmedizinischen Kollegen eine ganz wichtige Anmerkung machen muss: Wenn T61 fachgerecht benutzt wird, ist gegen den Einsatz absolut nichts einzuwenden. Man muss eben nur 10-15 Minuten vorher ein Barbiturat spritzen. Dieses Narkosemittel betäubt das Tier, so dass es von der anschließenden Todesspritze nichts mehr mitbekommt. Diese Tiere leiden also nicht, sondern schlummern in einen schmerzlosen Tod hinein. Ganz im Gegensatz zu den beiden Menschen, die draußen auf den Edelstahltischen liegen. Denn nach den Ergebnissen der toxikologischen Analyse hatten sie noch nicht einmal Spuren von Barbituraten im Blut.«

7
    Wie meist in der Vergangenheit hatte es Tannenberg auch diesmal nicht geschafft, unbemerkt von seiner Mutter das Haus zu verlassen. Als er gerade an der elterlichen Parterrewohnung vorbeizuschleichen versuchte, öffnete sich die Abschlusstür und Margot erschien im Türrahmen. In ihren Händen hielt sie eine Jutetasche, in der sich eine Thermoskanne mit Eistee, etwas Obst und zwei belegte Brötchen befanden.
    »Du hast bestimmt wieder nicht richtig gefrühstückt, Wolfi«, empfing sie ihn mit vorwurfsvollem Unterton. »Nimm das mal mit. Gerade bei der anstrengenden Arbeit mit deinem neuen Fall musst du auf eine anständige Unterlage achten.«
    Verdammte Holztreppe, fluchte der Leiter der Kaiserslauterer Mordkommission tonlos. Gleich darauf verkündete er mit gequälter Stimme: »Mutter, ich hab schon gefrühstückt. Außerdem hab ich’s eilig.« Demonstrativ blickte er auf seine Armbanduhr. »Ich muss los.«
    Doch Margots Miene duldete keinen Widerspruch.
    Zähneknirschend nahm er das Verpflegungspaket entgegen.
    »Du sollst dringend zu deinem Vater kommen.«
    »Nee, Mutter, das schaffe ich jetzt zeitlich wirklich nicht mehr.«
    »Wolfi«, sagte Margot unter besonderer Betonung der letzten Silbe. »Schon schlimm genug, dass du nicht zum gemeinsamen Frühstück erschienen bist. Aber wenn du jetzt nicht zu deinem Vater gehst, verdirbst du mir den ganzen Tag. Du weißt, dass er dann nicht mehr zu genießen ist.«
    Da der Kriminalbeamte seiner Mutter keinen Wunsch abschlagen konnte, nickte er mit leidvoller Miene. Anschließend machte er einen Schritt nach vorne und wollte die elterlichen Wohngemächer betreten. Doch Margot wich nicht von der Stelle. Mit emporgezogenen Augenbrauen zeigte sie in Richtung der Kellertreppe.

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