Jan Fabel 01 - Blutadler
seinem Vater gekauft hat. Politisch steht er rechts von der Mitte. Sehr weit rechts von der Mitte. Aber er kandidiert als Unabhängiger. Ihm ist offensichtlich klar, dass es ein Nachteil wäre, für die BDD anzutreten. Zwar behauptet er, kein Neonazi oder Rechtsextremer zu sein, doch sein Programm richtet sich hauptsächlich gegen die Zuwanderung und konzentriert sich auf das Thema Gesetz und Ordnung. Verheiratet ist er mit einer Adligen: Martha von Berg.«
»Ist sie verwandt mit Jürgen von Berg, dem Senator?«, fragte Fabel.
»Das weiß ich nicht, Chef. Aber ich weiß, dass sie ihren Namen behalten hat und dass er sich eine Zeit lang Norbert von Berg-Eitel nannte. Doch darauf hat er bald verzichtet. Durch den Gebrauch des Namens seiner Frau übernahm er den neuen Brauch liberalerer deutscher Männer, den eigenen Namen mit dem der Frau zu verbinden. Das passte nicht zu seinem traditionalistischen Image. Er steht außerdem in dem Ruf, ein Schürzenjäger zu sein, wogegen er neuerdings jedoch ankämpft.«
Fabel nickte und rieb sich das Kinn. »Sympathische Leute.« Er schaute auf seine Armbanduhr. »Ich glaube, es wird Zeit, dass wir ihnen einen Besuch abstatten.«
Hamburg-Neustadt,
Freitag, 20. Juni, 14.30 Uhr
Die Eitel-Mediengruppe hatte ihre Büros in einem glänzenden Stahl- und Glaskoloss im Herzen des Geschäftsviertels in der Neustadt. Fabel interessierte sich für gelungene Architektur, was bedeutete, dass dieses Gebäude ihn kalt ließ. Es war ein teuer ausgestatteter, doch seelenlos gebliebener Kasten.
Der uniformierte Portier am Empfangstisch im Erdgeschoss führte Fabel und seine Begleiter zu den Aufzügen. Auf den beiden ersten Etagen des Gebäudes lagen die Redaktionsbüros von Schau mal!, auf der dritten befand sich die Redaktion von TV-Espresso, einer Fernsehzeitschrift der Eitel-Gruppe. Der vierte Stock war die so genannte Kommunikationsabteilung, und der fünfte enthielt die Verwaltungsbüros der Gruppe. Hier lag Norbert Eitels Suite.
Eine Frau mittleren Alters mit strengen Gesichtszügen wartete auf die Besucher, als sich die Lifttüren in einem Großraumbüro öffneten. Fabel vermutete, dass dies die Frau war, mit der er sich am Telefon auseinander gesetzt hatte. Ihre Miene verriet, dass sie es nicht gewohnt war, ihre Autorität untergraben zu sehen.
»Sie möchten Herrn Eitel sprechen?«
Fabel zückte seine ovale Kripomarke. »Hauptkommissar Fabel.«
Die Sekretärin musterte die Dienstmarken aller drei Besucher mit einer einstudierten Geringschätzung, die sofort durch Werners Gelächter durchlöchert wurde.
»Bitte, folgen Sie mir«, sagte sie widerwillig.
Sie führte Fabel, Werner und Maria zu einem freudlosen Empfangsbereich an der anderen Seite des Büros. Er glich einer Bucht, an der sich das Plätschern der Stimmen vom Meer der Schreibtische brach. Zehn Minuten später begleitete die Sekretärin sie mit immer noch steinerner Miene in ein Besprechungszimmer, dessen Fassade aus Glas bestand.
Nach einer Minute betrat Norbert Eitel den Raum. Er hatte sein Jackett abgelegt, die Hemdsärmel hochgekrempelt und seine Krawatte gelockert. Sein Lächeln war höflich, doch seine Körpersprache ließ erkennen, dass er Wichtigeres zu tun hatte. Er hielt die Tür für einen hoch gewachsenen, schlanken, aristokratisch wirkenden älteren Mann auf, dessen elfenbeinfarbene Haarmähne immer noch so dicht war wie vor sechzig Jahren. Fabel erkannte in ihm den SS-Offizier auf dem Foto wieder. Allerdings hatte er nun die gebieterische Reife erreicht, die er als arroganter junger Mann vergeblich hatte vermitteln wollen. Ihm folgte ein Mann von mittlerer Größe, der Ende dreißig sein mochte.
»Guten Tag, Herr Hauptkommissar Fabel«, sagte Norbert Eitel.
»Mein Vater, Wolfgang Eitel.« Der Ältere streckte die Hand aus und nickte zackig. Fast hätte Fabel erwartet, dass er die Absätze zusammenschlug. »Und das ist Wilfried Waalkes. der Leiter unserer Rechtsabteilung.«
Fabel und Maria tauschten ein Lächeln aus. Der Anwalt. Fabel stellte Werner und Maria vor und musterte den Juristen ein paar Sekunden lang. Trotz seines friesischen Namens hatte sein »Guten Tag!« keine regionale Note erkennen lassen.
»Was kann ich für Sie tun?«, fragte Norbert Eitel. Mit einer Handbewegung forderte er alle auf, sich an den ovalen Konferenztisch zu setzen. Bevor Fabel antworten konnte, fuhr er fort: »Darf ich Ihnen etwas anbieten? Kaffee, Tee?«
»Danke, nicht nötig«, erwiderte Fabel auch im
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