Jan Fabel 01 - Blutadler
bekannt vor, aber ich kann nicht sagen, woher.«
»Möglich ist es schon. Er war früher bei der Polizei Hamburg.«
Maria zuckte die Achseln, als wolle sie einen ärgerlichen Gedanken abschütteln. »Egal. Was hast du rausgekriegt?«
»Er ist bestimmt nicht unser Mann, aber er hat Dreck am Stecken. Alles an ihm ist windig. Und er verschweigt uns irgendwas. Nein, er verschweigt uns eine ganze Menge. Wie ist's bei dir gelaufen?«
»Ich habe mit dem Geschäftsführer der Tanzbar, Arno Hoffknecht, gesprochen. Er bestätigt, dass Klugmann bis nach halb zwei dort gearbeitet hat.«
»Könnte es sein, dass Hoffknecht ihn decken will?«
»Du kannst dir nicht vorstellen, wie schmierig der Kerl ist. Es ist mir kalt über den Rücken gelaufen.« Maria tat so, als schaudere es sie.
»Aber er deckt Klugmann nicht. Zu viele andere haben ihn während seiner Schicht gesehen. Und die Kripo Davidwache hat auch seine Behauptung überprüft, dass er überallhin mit demselben Taxi gefahren ist.«
»Genau das hat er uns ebenfalls erzählt.«
»Jedenfalls bestätigt der Fahrer, dass er Klugmann um ein Uhr fünfundvierzig am Club abgeholt und ihn zu einer Kneipe am Hafen gefahren hat. Klugmann hat ihn aufgefordert zu warten, und dann haben sie die Wohnung gegen halb drei erreicht.«
»In Ordnung. Sonst noch was?«
»Ja, leider«, sagte Maria und reichte Fabel den Ausdruck der E-Mail, den sie in der Hand gehalten hatte.
Polizeipräsidium Hamburg,
Mittwoch, den 4. Juni, 10.00 Uhr
Fabel las den Text noch einmal laut vor, legte das Blatt auf den Tisch zurück und trat ans Fenster. Das Konferenzzimmer befand sich in der dritten Etage des Polizeipräsidiums. Unten pulsierte der Verkehr, nachdem die Ampeln umgesprungen waren; der beruhigende Rhythmus des Hamburger Lebens.
»Und die E-Mail war an Sie persönlich adressiert?«, fragte van Heiden.
»Ja, genau wie die letzte.« Fabel nahm einen Schluck Tee. Er wandte den anderen weiterhin den Rücken zu und schaute durch den Regen über den Winterhuder Stadtpark hinweg in Richtung Stadtzentrum, das sich in den stahlgrauen Himmel erhob.
»Gibt es keine Möglichkeit, den Absender aufzuspüren?«, wollte van Heiden wissen.
»Leider nicht, Herr Kriminaldirektor«, sagte Maria Klee. »Unser Freund scheint sich ziemlich gut mit Computern auszukennen. Wenn wir ihn nicht online erwischen, haben wir keine Chancen, ihn ausfindig zu machen. Aber selbst dann wäre es unwahrscheinlich.«
»Hat sich die Kriminaltechnik darum gekümmert?«
»Ja, Herr van Heiden«, antwortete Maria Klee. »Wir haben die E-Mail-Verbindung außerdem noch von einem unabhängigen Experten untersuchen lassen. Sie lässt sich einfach nicht bis zum Absender zurückverfolgen.«
»Eine perfekte Methode«, sagte Fabel, der immer noch den pulsierenden Verkehr beobachtete. »Ein anonymer Brief liefert uns physische Indizien. Wir können nach DNS Ausschau halten, eine Handschriftenanalyse vornehmen, die Herkunft des Papiers und der Tinte identifizieren, aber eine E-Mail existiert nur elektronisch. Sie entzieht sich jeder Spurensicherung.«
»Ich dachte, dass E-Mails nie anonym sein können«, meinte van Heiden. »Wir müssen doch eine IP-Adresse haben.«
Fabel war einen Moment lang verblüfft über van Heidens Computerkenntnisse. »Das ist richtig. Wir haben zwei separate E-Mails, jede mit eigener Internetprovider-Adresse und -Identität. Wir sind beiden nachgegangen und haben herausgefunden, dass unser Mann falsche Konten eingerichtet und die E-Mails dann über diese Konten abgeschickt hat.«
Fabel wandte sich vom Fenster ab. An dem Kirschholztisch saßen sechs Personen: an einer Seite die vier Hauptmitglieder von Fabels Mordkommission - Werner Meyer, Maria Klee, Anna Wolff und Paul Lindemann -, an der anderen eine attraktive, dunkelhaarige Frau von ungefähr fünfunddreißig Jahren, die Kriminalpsychologin Dr. Susanne Eckhardt. Den Vorsitz am Kopf des Tisches hatte Horst van Heiden, Leitender Kriminaldirektor der Polizei Hamburg und Fabels Vorgesetzter. Van Heiden erhob sich von seinem Stuhl. Wie vom Schicksal zum Polizisten bestimmt, erweckte er sogar in seinem hellgrauen Hugo-Boss-Anzug den Eindruck, Uniform zu tragen. Er machte die wenigen Schritte zur Wand des Konferenzzimmers. Dort hingen große Farbfotos, aus verschiedenen Perspektiven aufgenommen, die die verunstalteten Körper zweier junger Frauen zeigten. Überall Blut. Weiße Knochen, die durch blutiges Fleisch schimmerten. Zwei Frauen,
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