Jan Fabel 01 - Blutadler
etliche Dinge, die wir nicht über das Opfer wissen.«
»Zum Beispiel ihre Identität«, meinte van Heiden. Fabel konnte nicht feststellen, ob es eine sarkastische Bemerkung war.
»Wir gehen der Sache nach.«
Van Heiden blätterte in dem Bericht. »Was ist mit diesem früheren MEK-Mann, der mit dem Opfer zu tun hatte? Der Gedanke, dass ein ehemaliger Polizeibeamter eine Prostituierte für sich arbeiten lässt, gefällt mir überhaupt nicht. Das wäre ein Fressen für die Medien.«
»Leider mussten wir ihn auf freien Fuß setzen«, sagte Fabel. »Dafür lassen wir ihn rund um die Uhr beschatten. Ich bin sicher, dass er uns Informationen vorenthält, aber wir haben keine Beweise.«
»Haben Sie seine Personalakte gesehen?«
»Ich habe sie gerade angefordert«, antwortete Fabel, nahm Platz und fläzte sich über den Tisch. Er übertrieb seine Lässigkeit ein wenig, weil er wusste, dass er van Heiden dadurch irritierte. »Ich konnte sie noch nicht durchgehen, aber Klugmann scheint Anlass zu den größten Hoffnungen gegeben zu haben, jedenfalls bis zu seinem Drogendelikt. Bevor er in die Polizei Hamburg eintrat, hatte er als Fallschirmjäger gedient.«
»Tatsächlich?«
»Ja. Die beste Vorbereitung für das MEK.« Fabel lachte auf. »Er hat gelernt, zur Waffe zu greifen, statt zu denken.«
Van Heiden war empört. »Die MEKs leisten einen wertvollen Dienst. Und sie sind genau wie wir Polizeibeamte. Wie waren Klugmanns Leistungen beim Militär?«
»Geradezu vorbildlich, wenn ich mich nicht irre.«
»Ein guter Mann, der den Boden unter den Füßen verloren hat.«
»Oder ein sehr professioneller Schläger, der die Seiten gewechselt hat. Das hängt vom Standpunkt ab.«
Diesmal ließ sich van Heiden nicht von Fabel provozieren. »Sie meinen, dass er uns etwas verschweigt?«
»Ich glaube keine Minute lang, dass er den vollen Namen des Opfers nicht kennt. Aber sein Alibi ist wasserdicht. Wir müssen noch die genaue Todeszeit feststellen, aber es ist fast sicher, dass Klugmann für die Tat nicht in Frage kommt.«
»Warum wird er dann observiert? Vielleicht sollten wir unsere Ressourcen besser anderswo einsetzen?«
Fabel spürte, wie die Mitglieder seines Teams unruhige Blicke austauschten. »Weil wir eine Leiche haben, die unter den ungewöhnlichsten Umständen aufgefunden wurde. Und weil wir ihre Identität meiner Meinung nach am ehesten über Klugmann herausfinden können. Wie gesagt, ich glaube, dass er uns etwas verheimlicht. Dabei könnte es sich um den Mörder handeln. Vielleicht war ›Son of Sven‹ einer der Kunden des Mädchens.«
Fabel ignorierte Dr. Eckhardts Blick. Sie wusste, dass er van Heiden blauen Dunst vormachte. Es war ein Trick, um den Kriminaldirektor abzulenken, und er war erfolgreich.
»In Ordnung«, sagte van Heiden. »Aber ich bin stärker an der Identität unseres Mörders als an der des Opfers interessiert. Was wird sonst noch unternommen?«
»Wir überprüfen den Lebenslauf des anderen Opfers.« Maria Klee zog ein paar Notizen aus einem Ordner. »Unseres Wissens gibt es keine Beziehung zwischen den beiden. Eine Prostituierte und eine ehrgeizige Anwältin. Er scheint sich seine Opfer willkürlich auszusuchen.«
»Uns mag es willkürlich vorkommen«, sagte Dr. Eckhardt, »aber für den Mörder gibt es eine Beziehung zwischen ihnen, die wir noch nicht erkennen können. Denken Sie daran, dass wir es mit einem äußerst gestörten Individuum zu tun haben. Seine Logik ist anders als unsere. Es könnte eine Ähnlichkeit der Körpergröße, der Gangart oder der Nasenform sein. So abstrakt es klingt, es gibt etwas Gemeinsames, das der Mörder sieht, und vielleicht kann nur er es sehen.«
Nach einer Pause hakte Werner nach: »Das bedeutet?«
»Das bedeutet, dass jede Frau in Hamburg, unabhängig von Alter oder Herkunft, ein mögliches Opfer ist.«
Van Heiden kratzte sich die grauen Borsten auf seiner Kopfhaut.
»Und bis jetzt haben wir nur ein potenzielles Bindeglied zu dem Mörder: diesen Klugmann, der ihn als Kunden seines letzten Opfers gekannt haben könnte?«
»Es gibt noch ein mögliches Bindeglied.« Dr. Eckhardt schaute nicht vom Tisch auf, und ihre Arme rahmten die vor ihr liegenden Akten ein. Alle richteten ihre Aufmerksamkeit auf die Psychologin.
»Und das ist Kriminalhauptkommissar Fabel. Genau wie der Mörder seine Opfer nach abstrakten Kriterien auswählt, hat er sich für Herrn Fabel als sein, sagen wir, Alter Ego entschieden, als seinen Rivalen, wenn man so will. In
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