Jan Fabel 01 - Blutadler
seinen Augen ist Herr Fabel ein würdiger Gegner, und er hat ihn sich als seine Nemesis ausgesucht. Mehr noch, Hauptkommissar Fabel ist zu einem wesentlichen Element seiner Fantasie, seines Planes geworden. Er macht deutlich, dass er beabsichtigt, das Ende dieser Jagd zu bestimmen.« Sie sah Fabel an.
»Vielleicht sogar dadurch, dass er sich von Ihnen töten lässt. Seine Erklärung, dass ›Sie mich aufhalten, aber nie fassen können‹, ist eine Art Versprechen.«
»Dass ich ihn töten muss, um ihn aufzuhalten?«
»Vielleicht. Offenbar glaubt er, der psychotische Teil seiner Persönlichkeit sei vor Ihnen sicher. Er könnte eine Unsterblichkeitsfantasie haben, die ihn glauben lässt, dass Sie ihn nicht erreichen können, selbst wenn Sie ihn töten. Es ist, als gäbe es eine Art Puffer zwischen Ihnen.«
»Ich bin Polizist, kein Henker.« Fabel runzelte die Stirn. »Aber warum hat er mich gewählt?«
»Das weiß ich nicht. Vielleicht ist ›Son of Sven‹ wieder der Einzige, der den Grund kennen kann. Andererseits ...«
»Andererseits was?«, fragte van Heiden.
Dr. Eckhardt wandte sich weiterhin direkt an Fabel. »Er fühlt sich mit Ihnen verbunden. Möglicherweise haben sich Ihre Pfade in der Vergangenheit schon einmal gekreuzt. Oder er könnte auch jemand sein, den Sie kennen.«
»Was keineswegs feststeht.« Fabels Worte klangen eher wie eine Frage.
»Nein, es steht nicht fest. Es ist nur eine Möglichkeit. Dieses Gefühl der Zusammengehörigkeit könnte einfach auf dem beruhen, was er über Sie gelesen hat. Oder auch über einen Ihrer Fälle. Auf dieser Grundlage hat er dann seine Wahl getroffen.«
»Aber es könnte jemand sein, dem ich in der Vergangenheit begegnet bin, vielleicht in einem wichtigen Fall?«
»Das halte ich für eine Möglichkeit, viel mehr aber auch nicht.«
Fabel warf van Heiden einen bedeutungsvollen Blick zu. Der Kriminaldirektor schüttelte den Kopf. »Nicht wieder die olle Kamelle, Fabel ...«
Er hob die Schultern. »Ich weiß. Aber es würde genau passen: Svensson fordert mich mit diesem ›Son of Sven‹ -Gerede heraus, teilt mir mit, dass er noch lebt und dass diese Morde sein Werk sind.«
Van Heiden schüttelte erneut den Kopf. »Hören Sie auf, Fabel. Svensson ist tot. Seit fast zwanzig Jahren.«
»Wer ist Svensson?«, fragte Dr. Eckhardt.
»Eine alte Geschichte«, antwortete van Heiden. »Ganz alt, und sie hat überhaupt nichts mit diesem Fall zu tun. Der Mann ist längst tot.«
»Angeblich längst tot«, korrigierte Fabel. »Er soll verbrannt sein. Aber es konnte nicht nachgewiesen werden, dass die gefundene Leiche wirklich seine war. Er hieß Karl-Heinz Svensson und war ein übler Manipulator, der eine Zelle junger Terroristinnen anführte. Früher gehörte er zur Baader-Meinhof-Gruppe oder Rote Armee Fraktion, bevor er sich abspaltete. Damals gab es eine Menge Splittergruppen, die den Baader-Meinhof-Plan, völlig in den Untergrund zu gehen, nicht teilten. Außer der Bewegung Zweiter Juni und dem Sozialistischen Patientenkollektiv, die schon vor der Rote Armee Fraktion existierten, waren auch die Revolutionären Zellen aktiv, denen gut getarnte Terroristen und völlig offen arbeitende ›Legale‹ angehörten. Und die Frauenorganisation der Revolutionären Zellen war die Rote Zora. Svensson machte bei allen Anleihen. Er nannte seine Einheit Radikale Aktionsgruppe oder RAG. Die meisten Mädchen unter seinem Kommando waren siebzehn bis neunzehn Jahre alt. Er ließ sie Banken überfallen und in den Alsterarkaden Bomben legen.«
»Fabel und ich haben uns schon einige Male damit beschäftigt«, erläuterte van Heiden. »Weil Svenssons Leiche nicht eindeutig identifiziert wurde, hat Fabel den Verdacht, er könne aus dem Grab zurückgekehrt sein, um diese Morde zu begehen.«
»Glauben Sie das wirklich?«, fragte Susanne Eckhardt an Fabel gewandt.
»Nein, nicht unbedingt. Ich meine nur, dass wir an diese Möglichkeit denken sollten.«
»Tut mir Leid«, entgegnete sie, »ich verstehe nicht, warum Sie diesen Mann für einen potenziellen Verdächtigen halten. Ich sehe keinen Zusammenhang zwischen einem toten Terroristen und diesen Serienmorden.«
»Ich gebe zu, dass es höchst unwahrscheinlich ist, und vermutlich hat Herr van Heiden Recht: Es war Svensson, der bei der Explosion starb. Ich bin einfach durch die Unterschrift ›Son of Sven‹ ins Grübeln gekommen. Und durch die dauernden Hinweise auf Adler. Svenssons Spitzname war nämlich ›Adler‹. Und dann war
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