Jan Fabel 01 - Blutadler
hinten, aus der dem geparkten Saab entgegengesetzten Richtung.
Wie der ältere Türke waren die beiden tot, bevor sie auf den Boden aufschlugen.
Zwei hoch gewachsene Männer, beide blond, tauchten aus den Schatten hinter dem Mercedes der Türken auf. Während der eine die Patronenhülsen fein säuberlich vom Parkhausboden aufsammelte, schlenderte der andere gemächlich zu den drei Türken hinüber, feuerte ihnen jeweils noch einen letzten Schuss in den Kopf, hob ebenfalls die Patronenhülsen auf und schob sie in die Tasche seiner schenkellangen Lederjacke. Nun schraubten beide Männer die Schalldämpfer von ihren halbautomatischen Heckler & Kochs ab und schoben sich auf die hinteren Passagiersitze des Saab, der vorsichtig auf einen Parkplatz zurücksetzte und eine Kehrtwendung machte, bevor er auf die nach oben führende Rampe zusteuerte.
Hamburg-Pöseldorf,
Donnerstag, den 5. Juni, 10.00 Uhr
Mittlerweile lag ein kräftiger Keil traumlosen Schlafes zwischen Fabel und den Ereignissen des Vortags. Doch als er aufwachte, haftete ihm immer noch eine die Knochen durchdringende Müdigkeit an. Er zwang sich dazu, sich wie üblich zu rasieren, zu duschen und sich anzuziehen. Ein Exemplar der Hamburger Morgenpost lag auf seiner Fußmatte. Er legte sie auf den Flurtisch, ohne sie aufzuschlagen.
Fabel trank seinen Kaffee am Panoramafenster und schaute mit leerem Blick über Hamburg hinweg. Ein stahlgrauer Himmel spannte sich über die Stadt und sog die Farbe aus dem Wasser, den Parks und den Gebäuden, doch ein rosiger Hauch hinter den Wolken verhieß etwas Besseres für den späteren Tagesverlauf. Du bist irgendwo da draußen, dachte er, du bist unter demselben Himmel und planst schon, es wieder zu tun. Du kannst es kaum erwarten. Und wir können es kaum erwarten, dass du einen Fehler machst. Der Gedanke ballte sich wie eine Faust in ihm zusammen.
Während Fabel den Himmel betrachtete und seinen Kaffee trank, ließ er das, was sie bis dahin ermittelt hatten, an seinem geistigen Auge vorbeiziehen. Es waren Puzzlestücke, die alle zusammenpassen sollten: ein korrupter Expolizist, eine auf grässliche Weise ermordete Prostituierte, ein früheres, vier Monate vorher getötetes Opfer, das bis jetzt keinerlei Gemeinsamkeiten mit der zweiten Ermordeten erkennen ließ, und ein egomanischer Soziopath, der sich per E-Mail zu den Morden bekannte. Als Fabel versuchte, die Stücke im Geist zusammenzusetzen, verhakten sie sich ineinander, und in seinem Gehirn blinkte ein rotes Warnlicht auf. Er trank seinen Kaffee aus und atmete tief durch, wobei er gleichzeitig den Blick über die Alster in sich aufnahm. Dann drehte er sich um, griff nach seiner Jacke und seinen Schlüsseln und brach zu seinem Büro auf.
Sobald Fabel in der breiten Eingangshalle des Präsidiums eintraf, bemerkte er ein hektisches Treiben. Ein Dutzend MEK-Angehörige - graue und schwarze Schemen, die ihre Schutzbrillen und Helme umklammerten - trabten zum vorderen Teil des Gebäudes, wo ein gepanzerter Mannschaftswagen auf sie wartete. Fabel kam an Buchholz und Kolski vorbei, die in ein Gespräch mit einem der Ersten Hauptkommissare der Schutzpolizei - er hatte ein blaues Klemmbrett in der Hand - vertieft waren. Beide schauten in Fabels Richtung und nickten kurz und grimmig. Er nickte zurück, und obwohl er natürlich wissen wollte, was vor sich ging, bewogen ihre finster-entschlossenen Mienen ihn, sich eine Frage zu verkneifen. Gerd Volker, der BND-Oberst, trat mit vier aggressiv wirkenden Männern aus dem Lift, als Fabel einstieg. Volker lächelte flüchtig, wünschte Fabel einen guten Morgen und eilte an ihm vorbei, bevor dieser ein Wort sagen konnte.
Als Fabel aus dem Lift stieg, traf er im Flur der Mordkommission auf Werner.
»Was zum Teufel ist los?«
Werner drückte Fabel ein aufgeschlagenes Exemplar der Morgenpost in die Hand. »Ersin Ulugbay ist tot. Eine wirklich professionelle Arbeit.«
Fabel pfiff leise vor sich hin.
Das Bild in der Morgenpost zeigte einen Mann in einem teuren Mantel, der auf einem mit Blut und Öl beschmierten Betonboden ausgestreckt war. Nichts in dem Artikel wies auf ein Motiv hin, doch es wurde hervorgehoben, dass es sich bei einem der drei Opfer um Ersin Ulugbay handelte, »eine bekannte Gestalt der Hamburger Unterwelt«. Die beiden anderen Opfer, ebenfalls Männer und anscheinend türkischer Herkunft, müssten noch identifiziert werden. Fabel wunderte sich jetzt nicht mehr darüber, dass er im Erdgeschoss
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