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Jan Fabel 01 - Blutadler

Titel: Jan Fabel 01 - Blutadler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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Dienstjahren bei der Polizei Niedersachsen, überwiegend bei der Polizeiinspektion Cuxhaven, keine Uniform besonders gut gepasst. Mit den Jahren hatte er sich allmählich von einem mageren und vergammelten in einen dickbäuchigen und vergammelten Beamten verwandelt. Nun straffte sich sein senfgelbes kurzärmeliges Diensthemd um den Gürtel und schlug über der Brust und auf dem Rücken Falten. Seine Uniformhose sah aus, als käme sie selten mit einem Bügeleisen in Berührung. Er war ein ungepflegter Polizist, der normalerweise zum Chef bestellt und getadelt werden würde - wäre er, wie die beiden goldenen Sternchen auf seinen grünen Schulterstücken anzeigten, nicht selbst der Chef gewesen. 
    Max war ein kleiner, kahl werdender Mann mit einem liebenswürdigen Gesicht, das abgelebt wirkte und stets einem Lächeln nahe zu sein schien. Es war ein bekanntes Gesicht. Akzeptiert und vertraut bei den Bewohnern des flachen Landes am Sandbogen der Cuxhavener Küste, die sich von Berensch-Arensch nach Altenbruch erstreckt.
    In der grellen Beleuchtung der Leichenhalle schien ihm sein bereitwilliges Lächeln jedoch aus dem Gesicht gewischt worden zu sein. Neben ihm stand Dr. Franz Stern, ein schlanker, gut aussehender Arzt mit einer schwarzen Haarmähne. Er überragte den zerknitterten Beamten der Schutzpolizei in makelloser Frische. Vor ihnen, auf dem kalten Stahl eines Rollwagens, lag die zerquetschte Leiche von Petra Heine, einer neunzehnjährigen Studentin aus Hemmoor. Max Sülberg war seit langem Polizist, und das bedeutete sogar in Cuxhaven, dass er oft genug mit Tod und Gewalt in Berührung gekommen war. Aber als er nun auf das leblose Gesicht eines Mädchens hinunterschaute, das kaum ein Jahr älter als seine eigene Tochter war, verspürte er den überwältigenden Drang, ihr ein Kissen - oder sonst eine Stütze - unter den Kopf zu legen und ein paar tröstende Worte zu ihr zu sagen. Doch sie war jenseits jeden Trostes.
    Er schüttelte schwer den Kopf. »Was für eine Verschwendung.«
    Stern seufzte und nickte. »Warum ist sie bloß in einer so gottverlassenen Gegend auf der Straße herumgelaufen?«
    »Ich kann nur Vermutungen anstellen. Wir werden auf die Autopsie warten müssen, aber ich glaube, dass sie unter Drogen stand. Der Fahrer des Lastwagens meinte, sie sei nicht bei Sinnen gewesen, als sie vor den LKW lief. Er konnte ihr nicht mehr ausweichen, aber es fällt ihm schwer, das zu akzeptieren. Armer Hund.«
    »Sind die Eltern benachrichtigt worden?«, fragte Stern.
    »Sie sind unterwegs hierher. Das Mädchen hatte keine Tasche und keinen Personalausweis bei sich, aber sie trug ein SOS-Armband.«
    Stern warf unwillkürlich einen Blick auf das Handgelenk des Mädchens. Albern natürlich, denn die Polizei hatte das Armband selbstverständlich in Verwahrung genommen. Doch dann fiel ihm etwas auf, und er runzelte die Stirn, sodass seine schwarzen Brauen einen geraden Wulst bildeten und seine Augen überschatteten. Er beugte sich vor.
    »Was ist?«, fragte Sülberg. Stern antwortete nicht, sondern drehte den Unterarm des Mädchens um und musterte das Handgelenk. Er wandte seine Aufmerksamkeit ihrem rechten, dann ihrem linken Fußknöchel zu, bevor er das linke Handgelenk genauso intensiv untersuchte. Sülberg atmete ungeduldig durch. »Was ist, Dr. Stern?«
    Stern hielt das Gelenk des Mädchens hoch.
    Sülberg zuckte die Achseln. »Was soll das denn? Ich kann nichts sehen ...«
    »Schauen Sie genauer hin.«
    Sülberg zog seine Lesebrille aus der Brusttasche seines Uniformhemds und setzte sie auf. Als er sich vorbeugte, um das Handgelenk des Mädchens zu betrachten, zog sich ihm der Magen unter dem Geruch des frischen Todes zusammen. Dann wurde auch er auf etwas aufmerksam. An der Haut des Handgelenks zeichneten sich Schrammen und eine ganz schwache Röte ab. »An den Fußgelenken ist es das Gleiche«, sagte Stern.
    »Scheiße.« Sülberg setzte seine Brille ab. »Sie war gefesselt.«
    »Ganz richtig«, bestätigte Stern, »aber sie hat sich kaum zur Wehr gesetzt. Wahrscheinlich war sie entweder halb oder ganz bewusstlos, als sie in Fesseln lag. Das würde erklären, weshalb sie desorientiert war und genau vor den Lastwagen lief.«     
    Die Muskeln in Sülbergs Gesicht spannten sich und ließen es härter wirken. »Ich möchte nicht auf die vollständige Autopsie warten, Dr. Stern. Bitte, würden Sie ihr sofort etwas Blut entnehmen und es analysieren?«
     

 
    Polizeipräsidium Hamburg,
    Donnerstagmittag, den

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