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Jan Fabel 02 - Wolfsfährte

Jan Fabel 02 - Wolfsfährte

Titel: Jan Fabel 02 - Wolfsfährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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ich ihn das erste Mal gehört hatte, misslang mir kein einziges Wort mehr, denn er ließ mich wissen, was ich sagen musste.«
    Biedermeyer unterbrach sich erneut und warf einen Blick von Fabel zu Werner und dann zu Maria. Er lachte leise, wie über einen Witz, den die anderen nicht verstehen konnten.
    »Irgendwann wurde ich so groß, dass Mama mich nicht mehr schlagen konnte. Vielleicht hatte sie jetzt sogar Angst vor mir. Aber ihre Grausamkeit endete nicht, doch nun benutzte sie keinen Stock mehr, sondern Worte. Jeden Tag musste ich mir anhören, wie wertlos ich sei. Keine Frau würde mich je haben wollen, denn ich sei ein großes, hässliches Monster und schlechter als jeder andere. Aber Wilhelms Stimme beruhigte mich immer wieder. Nach jeder Beschimpfung, die sie sich einfallen ließ, machte er mir Mut. Dann schwieg er. Ich wusste,dass er da war, aber er redete einfach nicht mehr mit mir, und ich war der Gehässigkeit meiner Stiefmutter ausgesetzt.«
    Fabel nickte und fragte: »Schließlich hat er wieder zu Ihnen gesprochen und Sie aufgefordert, Paula Ehlers zu töten?«
    »Ja… ja, genau. Und ich wusste, dass er auch weiter mit mir sprechen würde, solange ich tat, was er mir befahl. Aber sie war zu stark. Meine Stiefmutter. Sie fand heraus, was mit Paula passiert war, und sagte, man werde mich einsperren. Dann werde sie in Schande leben müssen. Meine Stiefmutter zwang mich, Paula zu beseitigen, bevor ich sie verwenden… bevor ich mit ihrer Hilfe ein Märchen nachleben konnte.«
    »Verflucht.« Werner schüttelte ungeduldig den Kopf. »Ihre Stiefmutter wusste, dass Sie ein Schulmädchen entführt und ermordet hatten?«
    »Sie half mir sogar, die Leiche zu verstecken… Aber, wie gesagt, dazu kommen wir später. Vorher müssen Sie verstehen, dass ich eine Berufung hatte, die von meiner Stiefmutter durchkreuzt wurde. Sie hinderte mich daran, Wilhelms Anweisungen zu folgen. Daraufhin verstummte er wieder. Fast drei Jahre lang. Doch vor ungefähr drei Monaten wurde meine Stiefmutter für immer zum Schweigen gebracht.«
    »Sie ist gestorben?«, fragte Fabel.
    Biedermeyer schüttelte den Kopf. »Ein Schlaganfall. Danach hielt die Hexe den Mund. Sie war gelähmt und wurde ins Krankenhaus gebracht. Es war vorbei. Sie konnte mir nicht länger wehtun oder mich beschimpfen oder mich daran hindern, das zu tun, was ich tun sollte. Was ich tun musste.«
    »Lassen Sie mich raten«, sagte Fabel, »die Stimme in Ihrem Kopf kam zurück und befahl Ihnen, wieder zu morden?«
    »Nein. Noch nicht. Wilhelm blieb stumm. Dann entdeckte ich das Buch von Gerhard Weiss. Sobald ich es zu lesen anfing, wusste ich, dass er Wilhelm ist. Dass er nicht mehr in meinem Kopf mit mir zu sprechen brauchte. Alles war in dem Buch, in Die Märchenstraße , ausgeführt. Den gleichen Weg hatten wirvor anderthalb Jahrhunderten zurückgelegt. Und es war der Weg, den wir wieder einschlagen würden. Am selben Abend, an dem ich zu lesen begann, kehrte Wilhelms sanfte, liebliche Stimme zu mir zurück, aber diesmal aus den schönen Seiten des Buches. Ich wusste, was ich zu tun hatte. Aber ich wusste auch, dass ich die Rolle spielen musste, die ich früher übernommen hatte: die der Stimme der Wahrheit, der Genauigkeit. Wilhelm – oder Gerhard Weiss, wenn Sie wollen – war gezwungen, die Dinge auf den Geschmack des Publikums abzustimmen. Aber ich nicht.«
    »Also töteten Sie Martha. Sie beendeten ihre Geschichte«, sagte Fabel.
    »Ich war frei von meiner Stiefmutter und wieder mit meinem Märchenbruder, mit Wilhelm, vereint. Es wurde Zeit. Ich hatte mein Meisterwerk durchgeplant: eine Reihe von Geschichten, die zur Erfüllung meines Schicksals führen würde. Zum Happyend meiner Geschichte. Aber andere mussten vorher abgeschlossen werden. Und Martha, das Mädchen aus Kassel, war die Erste. Ich hatte eine Bestellung abgeliefert und sah sie in der Stadt. Zuerst dachte ich, sie sei Paula und aus einem Zauberschlaf erwacht. Aber dann begriff ich, was sie war: ein Zeichen von Wilhelm. Genau wie das Exemplar der Märchen, das Paula bei sich gehabt hatte. Es war ein Zeichen für mich, ihr ein Ende zu setzen, damit sie ihre Rolle in der nächsten Geschichte spielen konnte.«
    »Sie haben sie am Leben erhalten und ein paar Tage lang versteckt, bevor Sie ›ihre Geschichte beendeten‹. Warum?«
    Wieder sah Biedermeyer Fabel enttäuscht an, als läge die Antwort auf der Hand. »Weil sie zu den unterirdischen Leuten gehören sollte. Sie musste unter der Erde versteckt

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