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Jan Fabel 02 - Wolfsfährte

Jan Fabel 02 - Wolfsfährte

Titel: Jan Fabel 02 - Wolfsfährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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werden. Sie hatte große Angst, aber ich versprach ihr, dass ich ihr nichts antun würde. Deshalb brauche sie keine Angst zu haben. Sie erzählte mir von ihren Eltern. Sie war wie ich: gefangen in einer Geschichte über Eltern, die sie in der Dunkelheit ausgesetzt hatten. Im Wald. Sie wusste nicht, was Liebe ist, deshalb habe ich ihre Geschichte beendet, indem ich sie zum Wechselbalg machte und sie Eltern übergab, die sie lieben und sich um sie kümmern würden.«
    Werner schüttelte seinen immer noch lädierten Kopf. »Sie sind verrückt. Irre. Wissen Sie das nicht? All die Unschuldigen, die Sie ermordet haben. All der Schmerz und all die Furcht, für die Sie verantwortlich sind.«
    Biedermeyer grunzte. Seine Miene verfinsterte sich plötzlich und verzerrte sich vor Verachtung. Es war, als hätte sich ein unvorhergesehener Sturm zusammengeballt, und Fabel warf den beiden Schutzpolizisten an der Wand einen bedeutungsvollen Blick zu. Sie richteten sich auf, um jederzeit eingreifen zu können.
    »Sie kapieren es einfach nicht, oder? Sie sind zu dumm.« Biedermeyer hatte die Stimme nur ein wenig erhoben, aber nun schwang ein drohender Unterton in ihr mit. »Warum können Sie mich nicht verstehen?« Er schwenkte die Hände und ließ die Augen über seine Umgebung gleiten. »All das… all das… Sie glauben doch nicht, dass das real ist? Herrgott, es ist nur eine Geschichte. Begreifen Sie das nicht? Es ist nur ein Mythos… ein Märchen… eine Legende.« Frustriert suchte er in den Augen der Beamten nach Verständnis. »Wir glauben es nur, weil wir selbst in der Geschichte auftreten. Eigentlich habe ich niemanden ›ermordet‹.« Biedermeyer benutzte den Zeigefinger, um das Wort »ermordet« hervorzuheben. »Schon als Kind habe ich erkannt, dass es nur eine Geschichte ist. In Wirklichkeit konnte niemand so unglücklich sein wie ich. So traurig und einsam. Lächerlich. An dem Tag, als meine Mutter mich so sehr verprügelte, dass meine ganze Welt ins Wanken geriet, half Wilhelm mir nicht nur, mich an die Geschichte zu erinnern, die ich aufsagen musste – nein, er erklärte mir auch, dass sich all das in Wirklichkeit gar nicht ereignete. Nichts davon. Alles war eine Geschichte, die er sich ausgedacht hatte.Erinnern Sie sich daran, dass er sich als Geschichtenerzähler bezeichnete? Ich bin nämlich sein Bruder, weil er mich als seinen Bruder in eine der Geschichten aufgenommen hat. Dies hier ist einfach nur ein Märchen.«
    Biedermeyer nickte wissend, als müssten sich alle am Tisch außerordentlich erleuchtet fühlen. Fabel dachte an das, was Otto über die Theorie des Schriftstellers Gerhard Weiss gesagt hatte: Es sei pseudowissenschaftliches Geschwätz, dass Literatur über die Dimensionen des Universums hinweg Realität werden könne. Fauler Zauber. Aber dieses traurige, elende Ungeheuer hatte jedem Wort Glauben geschenkt und die Theorie ausgelebt.
    »Was ist mit den anderen?«, fragte Fabel. »Erzählen Sie uns von den anderen Morden. Fangen wir mit Hanna Grünn und Markus Schiller an.«
    »So wie Paula alles Gute und Gesunde auf der Welt repräsentierte, wie ein frisch gebackenes, noch ofenwarmes Brot, stand Hanna für alles, was schal und ekelhaft geworden ist. Sie war eine liederliche, schamlose, eitle und verdorbene Frau.« Aus Biedermeyers Lächeln sprach Stolz – der Stolz eines Experten, der seine beste Arbeit zur Schau stellt. »Ich merkte, dass sie nach mehr dürstete. Nach immer noch etwas mehr. Eine Frau, die von Wollust und Gier angetrieben wurde. Sie benutzte ihren Körper als Instrument, um sich ihre Wünsche erfüllen zu können, aber bei mir beklagte sie sich, weil der Vertreter Ungerer sie lüstern ansah und unzüchtige Bemerkungen machte. Ihre Geschichte musste beendet werden, deshalb beobachtete ich sie. Ich folgte ihr, wie früher Paula, aber länger, und führte ein exaktes Tagebuch über ihre Schritte.«
    »Und auf diese Weise entdeckten Sie ihr Verhältnis mit Markus Schiller?«, fragte Fabel.
    Biedermeyer nickte. »Ich folgte ihnen mehrere Male in den Wald. Dann wurde alles vollkommen klar. Ich las Die Märchenstraße noch einmal, dazu die Originaltexte. Wilhelm hatte mirwieder ein Zeichen gegeben, verstehen Sie? Der Wald. Die beiden sollten Hänsel und Gretel werden.«
    Fabel hörte zu, während Biedermeyer seine übrigen Verbrechen schilderte. Er habe geplant, sich Ungerer als Nächsten vorzunehmen, aber es sei bei der von Schnauber bestellten Geburtstagstorte zu einer Verwechslung

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