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Jan Fabel 02 - Wolfsfährte

Jan Fabel 02 - Wolfsfährte

Titel: Jan Fabel 02 - Wolfsfährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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und war von Abscheu vor sich selbst erfüllt.
    Sie ging nackt in die Schwimmhalle hinaus. Die Hauptbeleuchtung schaltete sie nicht an, um sich von der Dunkelheit und Stille einhüllen zu lassen. Laura atmete tief durch undblickte über den glänzenden Obsidian des Wassers hinweg zu dem riesigen Fenster, das den drückenden Nachthimmel einrahmte. In jenen Himmel konnte sie mit unbeschwertem Geist hineinschwimmen. Sie stellte nur die Unterwasserbeleuchtung an. Ein hellblaues Funkeln breitete sich an den Rändern des Pools aus. Laura trat ins seichtere Ende hinein, bis das kühle, fast kalte Wasser ihre Haut kribbeln und ihre Brustwarzen zu harten Spitzen werden ließ. Sie ging auf den tieferen Teil des Beckens zu, und das Wasser kräuselte sich in hellen, elektrischen Blautönen um sie herum.
    Dann sah sie es.
    Eine Gestalt. Eher ein großer, dunkler Schatten in der hellblauen Düsternis des Pools. Etwas völlig Unerklärliches lag auf dem Boden. Laura schob sich stirnrunzelnd vor. Was konnte denn bloß hierher gelangt sein, und wer konnte es hineingeworfen haben? Sie näherte sich dem reglosen Objekt bis auf ein paar Meter, konnte aber immer noch nicht erkennen, was es war. Noch zwei Meter.
    Plötzlich entfaltete sich die Gestalt und stieß mit einer einzigen glatten Bewegung aus dem Wasser hervor. Sie erhob sich in dem trüben blauen Licht, ragte vor Laura auf und schloss in einem Sekundenbruchteil die Lücke zu ihr. Die Zeit verlangsamte sich. Sie versuchte zu begreifen, was vor sich ging. Eine menschliche Gestalt? Nein. Zu groß. Zu schnell. Der Körper war dunkel. Dunkel durch Worte. Er – es – war mit Worten bedeckt. Mit Tausenden von Worten in gotischer Fraktur. Sie zogen sich über die mächtige Brust hinweg und wanden sich spiralförmig um die Arme. Es ergab keinen Sinn. Eine Geschichte in Gestalt eines riesigen Mannes wälzte sich auf sie zu. Dann hatte sie Laura erreicht.
    Eine Hand packte ihre Kehle, während die andere ihren Kopf unter das blau leuchtende Wasser drückte. Ja. Ein Mann. Ein Mann, aber ein dunkler Koloss, der mit Worten in einer altmodischen Schrift bedeckt war. Sein Griff war unüberwindlich,doch nicht vernichtend, als wisse er, wie man genug Druck ausübt, um die Kontrolle zu erringen, ohne Verletzungen hervorzurufen. Seine Hände waren von enormer Größe und unglaublich stark. Ihr Gesicht befand sich unter der Wasseroberfläche. Nun setzte die Furcht ein. Sie versuchte zu schreien, doch ihre Nase und ihr Mund füllten sich mit dem schwach gechlorten Wasser, und die Angst wurde von der blinden Panik ihres Überlebensinstinkts abgelöst. Sie schlug wild um sich und riss an den Armen und am Körper ihres Angreifers, doch er schien aus Stein zu bestehen. Laura keuchte, und mit jedem Keuchen geriet ihr schlanker Körper tiefer unter Wasser. Als das Wasser in ihre Lunge drang, ließ ihr Widerstand nach, und die Furcht verblich. Ihre Gliedmaßen schlugen nicht mehr um sich. Die Ruhe und Schönheit ihres Gesichts kehrten zurück.
    Tiefste Freude erfüllte Laura von Klosterstadts sterbenden Geist. Das war passend. So musste es sein. Strafe und Vergebung. Ihre Mutter hatte Recht gehabt: Laura war schlecht. Wertlos. Untauglich als Mutter. Untauglich als Braut. Aber nun war sie erlöst. Lauras Freude am Tod speiste sich aus zwei Tatsachen: Nun würde sie nie altern. Nun würde sie mit ihrem Kind zusammen sein.

29.
    Winterhuder Stadtpark, Hamburg, Montag, den 29. März, 8.40 Uhr
    Fabel schaute zu dem Gebäude empor, das sich zwischen den Bäumen erhob und die vor ihm liegende ausgedehnte Grasfläche überschattete. Die unglaublich hohen Bögen der Fassade aus roten Ziegeln schienen angespannt zu sein, als werde der gesamte Bau von einer unsichtbaren Hand himmelwärts gezogen. Wolken trieben an der mächtigen Dachkuppel vorbei.
    Dieses Gebäude hatte Fabel schon immer fasziniert. Wenn man nicht wusste, zu welchem Zweck es ursprünglich errichtet worden war, und wenn es seine gegenwärtige Funktion nicht mit meterhohen Lettern über den Bögen verraten hätte, wäre sein Sinn verborgen geblieben. Fabel hatte immer gefunden, dass es dem Tempel einer uralten, untergegangenen Religion glich, die teils ägyptische, teils griechische, teils außerirdische Züge trug.
    Das Planetarium war zunächst lediglich als Wasserturm erbaut worden. Aber damals verband sich das wachsende Selbstvertrauen eines nicht lange zuvor vereinigten Deutschland mit dem fast religiösen Eifer der bürgerlichen

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