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Jan Fabel 02 - Wolfsfährte

Jan Fabel 02 - Wolfsfährte

Titel: Jan Fabel 02 - Wolfsfährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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nicht so brutal niederzuschlagen. Ein typischer Mangel an Selbstbeherrschung, wenn das Temperament mit einem durchgeht.«
    »Wäre so etwas nicht in seinen Akten verzeichnet?«, fragte Maria.
    »Mag sein«, antwortete Brauner. »Wenn er sich zur Zeit seiner Verhaftung auf einen Karyotypen-Test eingelassen hat. Und wenn er überhaupt ein XYY -Mann ist. Vielleicht ist er einfach nur ein schlecht gelaunter Riesenkerl.«
    Sie machten sich getrennt daran, Olsens Wohnung zu untersuchen – wie die Besucher einer Galerie oder eines Museums, die ein Ausstellungsstück als Ganzes mustern, um sich dann den Details zu widmen. Nichts hier deutete auf das psychopathische Ego eines Serienmörders hin, aber Fabel konnte sich mit dem Widerspruch in Olsens Persönlichkeit nicht abfinden. Alles war sauber und ordentlich. Fabel betrat eines der beiden Schlafzimmer, das offensichtlich Olsen gehörte. Die Poster an den Wänden hätten eher in das Schlafzimmer eines Heranwachsenden gepasst als in die Wohnung eines Mannes von fast dreißig Jahren. Ein paar persönliche Gegenstände – eine klotzige, doch billige Armbanduhr, ein Kamm und eine Bürste, mehrere Toilettenartikel und zwei Fläschchen Rasierwasser – waren auf dem Frisiertisch angeordnet. Fabel öffnete die schweren Türen eines massiven Wandschranks. Die darin verwahrten Kleidungsstücke und Schuhe waren überdimensional, und Fabel hatte das Gefühl, in der Kammer eines schlafenden Riesen herumzustöbern. Olsens Garderobe machte einen zweckmäßigen Eindruck: ein Anzug mit einem Paar eleganter Schuhe; ein halbes Dutzend T-Shirts, versehen mit den Namen und Logos von Hate-Rock-Bands, sämtlich gefaltet und aufgestapelt, als wäre seine Mutter am selben Morgen vorbeigekommen; zwei Paar Jeans, eine schwarz, eine blau; zwei Paar Turnschuhe, zwei Paar Stiefel.
    »Holger«, rief Fabel über seine Schulter hinweg in das andere Zimmer und streifte sich ein paar Latexhandschuhe über. Er hob ein Paar Stiefel auf und betrachtete die Sohlen. Das Profil war flach. Das zweite Paar sah viel robuster aus, hatte jezehn Paar Ösen und zwei schwere Schnallen. Es mussten Motorradstiefel sein. Bevor er sich ihre Sohlen ansehen konnte, kam Brauner herein. Der Chef des Spurensicherungsteams hielt eine Hochglanzkopie des im Naturpark gefundenen Stiefelabdrucks in der Hand. Sogar Fabel konnte auf den ersten Blick feststellen, dass die Stiefel mit dem Abdruck übereinstimmten. Brauner öffnete eine durchsichtige Spurensicherungstüte, und Fabel ließ einen Stiefel nach dem anderen hineinfallen.
    »Jetzt brauchen wir nur noch unser Aschenputtel zu finden.«

27.
    Hamburg-Pöseldorf, Freitag, den 26. März, 21 Uhr
    Es war ein weiteres Beziehungsritual: Die Freunde des jeweiligen Partners wurden zu Freunden des Paares. Fabel hatte die gemeinsame Mahlzeit vorgeschlagen, und als er sah, wie Otto, sein ältester Freund, mit Susanne, dem neusten Element in Fabels Leben, plauderte, verspürte er eine überraschende Genugtuung. Die normale anfängliche Verlegenheit bei der Begrüßung und Vorstellung hatte sich durch Susannes natürliche südliche Wärme fast sofort verflüchtigt, und es war klar, dass Otto und Else sie gern mochten und seine Wahl guthießen. Fabel wusste nicht genau, warum, aber diese Zustimmung war ihm sehr wichtig. Vielleicht lag es daran, dass Otto und Else Fabels und Renates Ehe miterlebt und häufig mit den beiden an einem Restauranttisch gesessen hatten, so wie jetzt mit Fabel und Susanne.
    Er schaute zu Susanne hinüber und lächelte. Sie hatte ihr rabenschwarzes Haar hochgebunden, sodass ihr Hals und ihre Schultern frei waren. Susannes Schönheit war beeindruckend und natürlich, und ein Hauch von Make-up betonte ihre bezaubernden Augen unter den gewölbten Brauen. Sie erwiderte sein Lächeln. Fabel hatte einen Tisch in einem italienischen Restaurant in der Milchstraße reserviert, das nur zwei Minuten zu Fuß von seiner Wohnung entfernt lag. Seine Bleibe eignete sich nicht für Dinnerpartys, und Fabel suchte dieses Restaurant häufig auf, wenn er Gäste bewirtete. Die vier unterhielten sich eine Zeit lang über verschiedene Themen, bevor Otto auf die Bücher zu sprechen kam, die Fabel gekauft hatte.
    »Welche Fortschritte machst du mit Weiss’ Roman?«, fragte er.
    »Recht gute… Ich verstehe, warum du seinen Stil für gespreizt hältst. Aber es ist erstaunlich, wie man in seine Welt hineingezogen wird. Und wie man Jacob Grimm schließlich nicht mehr mit der historischen

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