Jan Fabel 02 - Wolfsfährte
für das Schloss.« Er wandte sich wieder an Brauner. »Weißt du schon etwas über die Todesursache?«
»Jetzt noch nicht. Es deutet sehr wenig auf Gewalt hin, außer einer leichten Quetschung am Hals, aber sie genügt nicht für eine Erwürgung. Möller wird dir die genaueren Einzelheiten mitteilen können, wenn er die Autopsie durchgeführt hat.«
Fabel zeigte unsicher auf den Fächer des goldenen Haares. »Was hältst du davon? Warum hat er einen Teil abgeschnitten? Ich sehe keine Verbindung zum Märchen von Dornröschen.«
»Da kann ich auch nur mutmaßen«, sagte Brauner. »Vielleicht ist es eine Trophäe. Jedenfalls hat sie wunderschönes Haar. Er meint vielleicht, es sei ihr besonderes Merkmal.«
»Nein… nein, das glaube ich nicht. Warum würde er erst jetzt anfangen, Trophäen zu sammeln? Von den drei anderen Leichen hat er sich nichts angeeignet.«
»Nicht, dass wir wüssten«, meinte Brauner. »Aber vielleicht ist dies etwas anderes. Eine Art Botschaft.«
Der Himmel hatte sich ein wenig aufgehellt, als Fabel und Maria das Zelt verließen. Die roten Ziegel des Planetariums traten, wie vom Regen gewaschen, im kalten Licht deutlich hervor.
»Der Dreckskerl wird frech, Maria. Er hat wirklich eine Botschaft hinterlassen.« Fabel winkte in Richtung der Baumwand, aber seine Geste zeigte an, dass er über sie hinaus blickte. »Von hier aus kann man das Polizeipräsidium gerade noch sehen. Wir sind genau südlich davon. Und die Spitze des Planetariums ist von den oberen Etagen des Präsidiums aus klar zu erkennen. Er führt uns an der Nase herum.«
Maria verschränkte die Arme und neigte den Kopf. »Schön, unser Hauptverdächtiger ist zurzeit Olsen, und wir sind sehr nahe an ihn herangekommen. Vielleicht verbirgt sich in seiner Ortswahl tatsächlich eine Botschaft: Wir waren in seiner Nähe, und nun kommt er in unsere Nähe. Wie du sagst, praktisch in Sichtweite des Polizeipräsidiums.«
»Könnte sein. Oder die Wahl des Ortes hat etwas mit seiner Geschichte zu tun.«
»Der Geschichte des Stadtparks?«
Fabel schüttelte den Kopf. »Nicht speziell, sondern mit dieser Gegend. Winterhude ist uralt, Maria. Schon lange vor Hamburg, das um diesen Ort herum entstand, gab es hier eine Steinzeitsiedlung. Ich nehme an, jede tiefere Bedeutung ist weniger wichtig als die Nähe zum Präsidium, aber vielleicht lässt sich ein Hinweis in der Geschichte dieses Ortes finden.«Als Student hatte Fabel, mit einem Stapel Bücher neben sich, im Sommer viel Zeit hier im Stadtpark verbracht. Niemand wusste genau, woher der Name Winterhude kam, aber das alte plattdeutsche Wort »Hude« bedeutet »behüteter Ort«. Fabel hatte es immer als seltsam beruhigend empfunden, sich in einem Gebiet aufzuhalten, das seit sechs Jahrtausenden unablässig bewohnt worden war. Dadurch schien er noch enger mit seinem Studienfach Geschichte verbunden zu sein.
»Andererseits«, sagte Maria, »ist es vielleicht einfach eine Örtlichkeit, die er benötigte, um seine Fantasie auszuleben.«
Fabel wollte gerade antworten, als er einen großen Mercedes-Geländewagen bemerkte, der über das Gras rollte und neben der Polizeisperre anhielt. Zwei Männer, die er sofort erkannte, stiegen aus.
»Scheiße.« Fabel verschaffte es wenig Genugtuung, dass sein Radar für hohe Tiere so präzise gewesen war. »Das hat uns gerade noch gefehlt.«
Die beiden Männer aus dem Mercedes kamen auf Fabel und Maria zu. Der erste war Mitte fünfzig. Sein Haar und sein Bart waren kurz geschoren und fast weiß, abgesehen von ein paar Spuren semmelblonder Vergangenheit. Er trug einen hellgrauen Anzug, der wie immer an ihm saß wie eine Polizeiuniform.
»Guten Morgen, Herr Kriminaldirektor«, begrüßte Fabel seinen Vorgesetzten, Horst van Heiden. Der zweite Mann war kleiner und dicker und hatte ein rosiges, wie gescheuert wirkendes Gesicht. Fabel nickte ihm kurz zu. »Herr Innensenator Ganz…«
»Guten Morgen, Kriminalhauptkommissar Fabel.« Van Heiden deutete mit dem Kopf auf das Zelt. »Ist es wahr?«
»Ist was wahr, Herr Kriminaldirektor?« Fabel wusste genau, worauf van Heiden hinauswollte, aber er würde den Teufel tun, freiwillig Ermittlungsinformationen vor Ganz preiszugeben. Er hatte sich schon einige Male mit Ganz herumschlagen müssen. Dieser Berufspolitiker war für die Verbrechensbekämpfung und die Sicherheit in Hamburg verantwortlich, und er schien der Polizei die Schuld an jedem Aufsehen erregenden Fall zu geben, der in der Öffentlichkeit Ängste
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