Jan Fabel 02 - Wolfsfährte
auslöste oder die Stadtregierung in Verlegenheit brachte.
Van Heidens Gesicht, das auch unter den besten Umständen nicht freundlich wirkte, verfinsterte sich. »Ist es wahr, Herr Kriminalhauptkommissar, dass es sich bei der heute Morgen entdeckten Leiche um Laura von Klosterstadt, das High-Society-Model, handelt?«
»Bisher ist sie noch nicht identifiziert worden, Herr Kriminaldirektor.« Fabel warf Ganz einen scharfen Blick zu. »Und ich möchte auf keinen Fall, dass etwas öffentlich bekannt gegeben wird, bevor wir selbst es tun.«
Ganz’ rosige Hautfarbe ging in ein noch tieferes Rot über. »Ich bin nicht nur aus beruflichen, sondern genauso sehr aus persönlichen Gründen hier, Herr Fabel. Ich bin seit langem mit der Familie befreundet. Noch am Samstag habe ich Lauras Geburtstagsparty besucht. Besonders Helmut von Klosterstadt kenne ich seit vielen Jahren. Wenn es sich wirklich um seine Tochter handelt, würde ich der Familie die Nachricht gern persönlich überbringen.« Er dachte einen Moment lang nach. Seine Miene verriet so etwas wie Unbehagen. »Ich könnte die Leiche identifizieren, wenn Sie wollen.«
»Tut mir Leid, Herr Innensenator. Das hier ist immer noch ein gesicherter Tatort. Dafür haben Sie bestimmt Verständnis. Außerdem könnte Ihre Anwesenheit als… unangemessen erscheinen.«
»Fabel…« Van Heidens Stimme hatte eher einen flehenden als einen drohenden Ton.
Fabel seufzte. »Ja, es ist anscheinend Laura von Klosterstadt. Wir haben noch keine genaue Todeszeit und keine Todesursache, aber es ist auf jeden Fall eine zwielichtige Sache.« Er schwieg ein paar Sekunden lang. »Wir sind uns so gut wiesicher, dass sie einem Serienmörder zum Opfer gefallen ist, der vorher wenigstens drei, vielleicht vier Tode zu verantworten hatte.«
Van Heidens Miene wurde noch dunkler. Ganz schüttelte ungläubig den Kopf. »Wie konnte das geschehen? Wie konnte Laura so etwas zustoßen?«
»Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich Ihre Frage richtig verstehe, Herr Ganz. Meinen Sie, wie konnte das einer so berühmten Frau zustoßen statt einem anonymen kleinen Ladenmädchen?«
»Das reicht!« Fabel war es gelungen, van Heidens bekannten Jähzorn zu entfachen.
Ganz hielt eine Hand hoch und gebot dem Kriminaldirektor Einhalt. »Ist schon in Ordnung, Horst.« Das runde Gesicht barg keine Feindschaft. »Das ist es nicht, Herr Fabel. Ganz und gar nicht. Ich bin… ich war… Lauras Patenonkel. Und ich habe sie schon als kleines Mädchen gekannt.«
»Entschuldigen Sie bitte, Herr Ganz. Meine Bemerkung war fehl am Platze. Sie sagen, Sie haben Laura von Klosterstadt am Samstag gesehen?«
»Ja, auf ihrer Geburtstagsfeier zum einunddreißigsten. In ihrer Villa in Blankenese.«
»Waren viele Menschen erschienen?«
»O ja. Ich würde meinen, über hundert Gäste. Vielleicht hundertfünfzig.«
»Gab es irgendwelche besonderen Vorfälle?«
Ganz lachte leise. »Es war ein Gesellschaftsereignis, Herr Fabel. Solche Veranstaltungen sind sorgfältig arrangiert. Jeder Besucher hat sein eigenes Programm. Entweder will er mit den richtigen Leuten gesehen werden oder Geschäfte abschließen. Deshalb gab es keine Vorfälle.«
»Hatte sie einen Partner? Einen Freund?«
»Nein. Keinen Freund. Keinen Partner. Oder jedenfalls keinen von Wichtigkeit, an den ich mich erinnere. Trotz ihrerSchönheit und ihres Reichtums war Laura sehr einsam. Am nächsten stand ihr wahrscheinlich Heinz. Heinz Schnauber. Ihr Agent.«
»Hatten sie eine Beziehung?«
Ganz lachte erneut. »Nein. Er bekennt sich zu dem Grundsatz: Schwul ist cool. Aber er war ein treuer Freund von Laura. Es wird ihn niederschmettern, von ihrem Tod zu erfahren.«
Eine Fernsehcrew war an der Absperrung eingetroffen, und Fabel sah, dass mehrere Pressefotografen lange Zoomobjektive auf sie gerichtet hatten – wie Scharfschützen, die auf eine günstige Gelegenheit warten. »Herr Ganz, ich glaube, wir erregen etwas zu viel Aufmerksamkeit. Ich würde mich gerne etwas ausführlicher mit Ihnen über Laura von Klosterstadt unterhalten, aber nicht in der Öffentlichkeit. Vorläufig wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mit den Familienangehörigen reden könnten. Und wenn ich einen Vorschlag machen darf, Herr Kriminaldirektor: Ich würde es für ratsam halten, wenn Sie dabei anwesend wären.«
Van Heiden nickte. Die beiden Männer kehrten zu dem Mercedes-Geländewagen zurück, und Fabel bemerkte, dass der normalerweise pressefreundliche Ganz die Reporter genauso gereizt abwies
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