Jan Fabel 02 - Wolfsfährte
wie van Heiden.
Bei der letzten Gelegenheit, als sich die Pfade von Fabel und Ganz gekreuzt hatten, war die Spannung beträchtlich gewesen. Der Serienmörder, den Fabel gejagt hatte, war Ganz hauptsächlich als Quelle peinlicher Schlagzeilen erschienen. Aber diesmal hatte der Tod jemanden in Ganz’ unmittelbarer Nähe ereilt, und er machte sich keine Sorgen über eine schlechte Presse.
Fabel schaute zu dem riesigen Turm des Planetariums empor. Hier verbarg sich eine Botschaft, aber er wusste nicht, welche.
30.
Polizeipräsidium Hamburg, Montag, den 29. März, 10.10 Uhr
Fabel ließ den Blick über den Konferenztisch schweifen und wurde sich Werners und Annas Abwesenheit sehr bewusst. Nur Maria und er selbst waren noch vom ursprünglichen Team übrig geblieben, und er hatte zwei Kommissare, Petra Maas und Hans Rödger, von dem für Sexualdelikte zuständigen Landeskriminalamt 42 angefordert. Fabel kannte die beiden und wusste ihre Hilfe zu schätzen, aber sie gehörten nicht zu seiner regulären Mordkommission, und er fühlte sich exponiert. Olsen – wenn es denn Olsen war, der die Morde begangen hatte – wurde kühner und schlug häufiger zu, obwohl er der Verhaftung nahe gewesen war. Fabel und sein Team würden so rasch und effektiv wie möglich handeln müssen, um ihn an weiteren Morden zu hindern.
Außerdem saßen Susanne und Klatt, der Kommissar aus Norderstedt, am Tisch. Fabel hatte Maria gerade gebeten, das Team über den neuesten Mord auf den laufenden Stand zu bringen, als an die Tür des Konferenzzimmers geklopft wurde. Ein hoch gewachsener, uniformierter Schutzpolizist mit sandfarbenem Haar blieb verlegen auf der Schwelle stehen.
»Ah… Kommissar Hermann.« Fabel deutete mit einer ausladenden Handbewegung auf einen freien Platz. »Vielen Dank, dass Sie gekommen sind. Ich dachte, Sie würden bei dieser Besprechung gern dabei sein.«
Hermann strahlte, als er sich an den Tisch setzte, seine grün-weiße Schirmmütze vor sich auf den Tisch legte, ein Notizbuch hervorholte und es auf der Kirschholzplatte platzierte.
»Kommissar Hermann«, erklärte Fabel den anderen, »hat den Doppelmord im Naturpark Harburger Berge als mögliche Tat eines Serienmörders erkannt und sich bei der Sicherung des Tatorts ausgezeichnet.«
Hermann nickte dankend. Fabel bat Maria fortzufahren. Sie fasste zusammen, was man über den letzten Fall wusste, und verwies ebenfalls auf die drei vorhergegangenen Morde.
Als Maria geendet hatte, ergriff Fabel das Wort. »Wir haben einen gewalttätigen, unberechenbaren Verdächtigen, der noch auf freiem Fuß ist. Peter Olsen. Neunundzwanzig Jahre alt. Er ist wegen Gewaltverbrechen vorbestraft und war mit Hanna Grünn liiert, die wir zusammen mit Markus Schiller im Naturpark Harburger Berge gefunden haben. Es gibt also eine Verbindung und ein mögliches Motiv, aber wir müssen noch feststellen, ob er irgendeine Beziehung zu den anderen Opfern hatte. Außerdem glauben wir, dass er dem so genannten Karyotyp XYY angehören könnte. Dabei handelt es sich um einen genetischen Defekt, der bei ihm eine Veranlagung zu unkontrollierten Wutanfällen bewirkt haben könnte. Frau Dr. Eckhardt?«
»Wir alle werden mit einer bestimmten Zusammensetzung einer konkreten Anzahl von Chromosomen geboren«, erläuterte Susanne. »So haben Männer XY - und Frauen XX -Chromosomen. Hin und wieder treten jedoch Defekte auf, die zum Down-Syndrom, zum Turner-Syndrom oder zur physischen Intersexualität, dem Hermaphroditismus, führen können. Außerdem gibt es Menschen mit einem zusätzlichen männlichen oder weiblichen Chromosom. Bei Männern spricht man vom XYY - oder ›Supermann‹-Syndrom. Solche Männer können extrem groß und ungewöhnlich muskulös sein. Häufig sind sie sehr aggressiv und haben Mühe, sich zu beherrschen. Bisweilen entwickeln sie eine schwere Akne und haben Probleme mit der Skelettmuskulatur. Die gegenwärtige Forschung weist darauf hin, dass sie einen etwas unter dem Durchschnitt liegenden IQ -Wert besitzen. Manchmal gibt es Probleme bei ihrer Erziehung, weil sie in ihrer persönlichen Reife zurückbleiben. Kriminalhauptkommissar Fabel beschreibt Olsen als jemanden, der einen fast noch jugendlichen Geschmack hinsichtlich der von ihm bevorzugten Musik und Wohnkultur aufweist.«
Susanne machte eine Pause und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. »Der wissenschaftlichen Ausgewogenheit halber muss ich unterstreichen, dass man noch immer ausgiebig darüber diskutiert, in welchem Maße das
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