Jan Fabel 04 - Carneval
Ballungsgebiets liegende Buschbell wirkte jedoch offener und hatte einen stärkeren Baumbestand.
»Wie hat Schnaus am Telefon geklungen?«, fragte Fabel.
»Schuldig«, antwortete Scholz. »Woran er schuld ist, weiß ich noch nicht, aber jedenfalls war er ganz schön kleinlaut, als er hörte, dass die Polizei mit ihm plaudern will.«
Sie hielten vor einem recht stattlichen Haus mit dem größten Garten, den Fabel seit seiner Ankunft in Köln gesehen hatte. Es war das Zuhause eines Besserverdienenden. Nicht die Residenz eines Multimillionärs, doch ansehnlich genug, um auf ein beachtliches Bankkonto hinzuweisen. Zudem stand der obligatorische Mercedes E500 in der Einfahrt.
Auf dem Weg zur Haustür war Scholz anscheinend mit den Gedanken woanders. »Hört mal. Eure Idee gefällt mir wirklich nicht … Die Sache ist viel zu riskant.«
»Meine Idee«, korrigierte Fabel. »Ich habe Tansu darum gebeten …«
»Wie gesagt, sie gefällt mir nicht«, unterbrach Scholz, »aber ich werde mich unter mehreren Bedingungen darauf einlassen. Darüber können wir sprechen, wenn wir hier fertig sind.«
Die Haustür öffnete sich, bevor sie hatten klingeln oder anklopfen können. Ein Mann von ungefähr vierzig Jahren kam heraus und zog die Tür hinter sich zu. Er war knapp zwei Meter groß, athletisch gebaut und sah relativ gut aus. Damit entsprach er genau der Beschreibung, die Mila – die Hostess, die gebissen worden war – geliefert hatte.
»Oberkommissar Scholz?«, fragte er Fabel.
»Nein, das bin ich«, erklärte Scholz. »Herr Schnaus?«
»Ja. Worum geht es? Meine Frau und Kinder sind hier, und …«
»Es geht um die Website, die Sie betreiben«, sagte Fabel.
»Oh …« Schnaus wirkte geknickt. »Das hatte ich mir schon gedacht. Ich habe meiner Frau gegenüber so getan, als wäre es etwas Geschäftliches.«
»Worin genau besteht Ihr Geschäft?«, erkundigte sich Fabel.
»Computer-Software.«
Fabel musterte erneut das Auto in der Einfahrt und das Haus und dachte an die Entscheidung, die er für seine eigene Zukunft getroffen hatte.
»Schön, wir spielen mit. Vorläufig. Gibt es einen Ort, wo wir uns ungestört unterhalten können?«
»Mein Arbeitszimmer.« Schnaus führte sie einen breiten Korridor entlang. Das Arbeitszimmer war geräumig, hell und modern eingerichtet. Auf einem großen Schreibtisch standen zwei hochwertige Computer. Zwei weitere ruhten auf Workstations an der anderen Wand.
»Betreiben Sie Ihre Site von hier aus?«, fragte Fabel.
»Also, es ist in erster Linie ein Hobby. Mir geht es nicht um Geld …«
»Nur ums Vergnügen«, höhnte Scholz.
Schnaus errötete. »Ich kann es erklären. Es ist einfach etwas …« Er brach den Gedanken ab. »Was wollen Sie wissen?«
»Als Erstes verraten Sie uns bitte, wo Sie am Freitagabend, dem 20. Januar, waren.«
Schnaus tippte etwas in seinen Computer. »In Frankfurt. Auf einer Konferenz.«
»Kann das jemand bestätigen?«
»Etwa hundert Personen. Ich habe eine Präsentation eines neuen Produkts gemacht.«
»Haben Sie dort übernachtet?«
»Ja. Insgesamt drei Tage.«
»Was für ein neues Produkt?«, hakte Fabel nach. »Ich meine, welche Art Software verkaufen Sie?«
»Wir vertreiben Spielesoftware. Auch andere Produkte, zum Beispiel interaktive Software für Ausbildungszwecke.«
»Haben Sie je etwas von einer Spieledesignerin namens Melissa Schenker gehört?«
»Nein …« Wenn Schnaus log, tarnte er sich gut. »Ich glaube nicht.«
»Und von dem Rollenspiel The Lords of Misrule ?«
»O ja. Davon habe ich nicht nur gehört, wir vertreiben es.«
»Melissa Schenker hat The Lords of Misrule entwickelt«, sagte Fabel.
»Oh. Das ist mir neu. Das Spiel gehört nicht zu dem von mir vertretenen Portfolio. Überhaupt weiß ich nicht immer, wer ein Spiel entwickelt oder erfunden hat.«
Es kam zu einer Pause.
»Warum tun Sie so etwas, Herr Schnaus?«, fuhr Fabel schließlich fort. »Sie haben einen guten Arbeitsplatz, eine Familie. Warum verspüren Sie den Drang, sich mit einer solchen Website zu beschäftigen?«
»In jedem von uns gibt es ein gewisses Chaos. In manchen mehr als in anderen. Hier habe ich ein geordnetes Leben. Ich bin ein guter Ehemann und Vater, und meine Frau weiß nichts von … na ja, der ungewöhnlicheren Seite meines Charakters. Wenn ich das Chaos völlig unterdrückte, würde es vielleicht explodieren, all die Ordnung und Stabilität in meinem Leben zerstören. Deshalb betreibe ich eine harmlose, nichtpornografische Website über
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