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Jan Fabel 04 - Carneval

Titel: Jan Fabel 04 - Carneval Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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dass Maria ihre Wohnung während ihrer Krankschreibung nur selten verließ. Er empfand es als positives Zeichen, dass sie nicht zu Hause war.
    »Oh, alles bestens …« Maria schien verblüfft zu sein. »Ich bin gerade beim Einkaufen. Und dir, wie geht es dir?«
    »Nicht schlecht. Ich bin ebenfalls dabei einzukaufen. Im Alsterhaus. Wie kommst du mit der Therapie voran?« Fabel zuckte wegen seiner Unbeholfenheit zusammen. Am anderen Ende entstand eine kurze Pause.
    »Vortrefflich. Ich mache Fortschritte. Bald werde ich wieder arbeiten. Ohne dich wird es nicht das Gleiche sein.«
    »Ist das ein Vor- oder ein Nachteil?« Fabels Lachen klang gekünstelt.
    »Ein Nachteil«, antwortete sie, ohne zu lachen. »Jan … Ich werde vielleicht auch aufhören.«
    »Maria, du bist eine ausgezeichnete Polizistin und hast eine große Zukunft vor dir.« Fabel wurde bewusst, dass er gerade das Gleiche zu Maria sagte, was seine Vorgesetzten ihm selbst so oft versichert hatten. Rasch fügte er hinzu: »Aber es ist deine Entscheidung. Wenn ich in den letzten beiden Jahren etwas gelernt habe, dann Folgendes: Wer das Gefühl hat, etwas tun zu müssen, sollte nicht abwarten, sondern handeln.«
    »Genau das meine ich auch. In letzter Zeit … also, nach all den Dingen, die geschehen sind …« Marias Stimme klang so distanziert, dass Fabel jeden Zentimeter leerer Luft zwischen ihnen spürte. Es war die Stimme eines verlorenen Menschen, und Fabel spürte, wie Panik in seiner Brust aufstieg.
    »Maria, was hältst du davon, wenn ich später bei dir vorbeikäme? Es wäre schön, mit dir zu sprechen …«
    »Das finde ich auch. Aber jetzt noch nicht, Jan. Vorläufig bin ich noch nicht so weit, mich mit jemandem von der Polizei zu treffen. Wegen meiner Therapie … Doktor Minks meint nämlich, ich solle den Kontakt mit Kollegen erst einmal vermeiden.«
    »Oh? Ich verstehe«, sagte Fabel, obwohl er nichts verstand. »Dann vielleicht bis bald.«
    Sie verabschiedeten sich voneinander, und Fabel legte auf. Als er hochblickte, sah er, dass Susanne eingetroffen war und sich im Alsterhaus nach ihm umschaute.

DRITTES KAPITEL

    19.–21. Januar

    1.

    Maria stellte ihr Handy ab, bevor sie es zurück in ihre Jackentasche gleiten ließ. Sie hatte Fabel nicht ausdrücklich belogen, ihm jedoch einen Teil der Wahrheit verschwiegen.
    Die sie umgebenden Möbel waren die eines typischen Billighotels. Maria nahm die Kleidungsstücke aus ihrem Koffer und legte sie gefaltet in die schlichte Furnierholzkommode, wobei sie sich wie immer mit sparsamer Präzision bewegte. Nachdem sie ausgepackt hatte, hängte sie ihre Jacke mit der gleichen Ökonomie der Bewegungen auf einen Kleiderbügel, ging in das kleine, schwach beleuchtete Badezimmer, kniete vor der Toilettenschüssel nieder und steckte sich den langen, manikürten Zeigefinger in den Hals. Sie erbrach sich fast sofort. Bei ihren ersten Versuchen hatte es lange gedauert: ein nutzloses Würgen, das ihr die Tränen in die Augen trieb, bevor sie sich schließlich übergab. Doch nun beherrschte sie die Prozedur so perfekt, dass sie ihren Magen rasch und mühelos entleeren konnte. Sie erhob sich, spülte sich den Mund am Waschbecken aus und kehrte ins Schlafzimmer zurück.
    Maria trat ans Fenster und kippte es. In der Straße unter ihr herrschte ein reges Treiben. Ausländische Stimmen drangen zu ihr herauf: türkische, persische, russische. Ukrainische. In diesem Teil der Stadt vermischten sich Kulturen, statt zu einem Flickwerk zusammengefügt zu werden.
    Das Hotel hatte sechs Stockwerke, und Marias Zimmer lag im Obergeschoss. Sie blickte über die Dächer hinweg, die sich unter dem dunklen, schweren Winterhimmel zusammenzudrängen schienen. Direkt gegenüber lag eine Wohnung mit einer Dachterrasse. Sämtliche Lichter waren angeschaltet, und Maria konnte eine Frau erkennen, die die Zimmer säuberte. Es war eine recht junge Frau mit einem Schopf dunkler Haare und einer üppigen Figur. Vermutlich eine Türkin. Sie schien beim Staubsaugen zu singen. Maria wusste nicht, ob es ihre Wohnung war oder ob sie dort als Putzfrau arbeitete. Jedenfalls machte sie den Eindruck eines Menschen, der sich in seiner Haut wohlfühlte. Maria verspürte ein eifersüchtiges Stechen und wandte den Blick ab.
    Sie dachte daran, dass es in Hamburg warm war, während sie die mächtigen dunklen Türme des Kölner Doms, die den mürrischen Himmel durchbohrten, betrachtete.
    2.

    Es war Susannes aufgesetzte Fröhlichkeit, die Fabel am stärksten zu

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