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Jan Fabel 04 - Carneval

Titel: Jan Fabel 04 - Carneval Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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verwandten zwei Stunden darauf, Marias Akten und Notizen durchzusehen. Sie fanden zahlreiche Hinweise auf Kontaktpersonen, mit denen sie gesprochen hatte, wahrscheinlich um sich durch ihre Stellung als Oberkommissarin der Polizei Hamburg Zugang zu vertraulichem Material zu verschaffen: beim Büro zur Bekämpfung des Menschenhandels in Belgrad, bei Human Rights Watch und bei einem Interpol-Experten für Menschenschmuggel. Zu Marias Unterlagen gehörten Notizen über sämtliche Aspekte des aktuellen Menschenhandels in Europa, ein vollständiges Dossier über ukrainische Speznas-Einheiten und ein Ordner mit noch mehr Zeitungsausschnitten, die nicht an die Wand geheftet worden waren. Darunter befanden sich Artikel über ein Feuer in einem Containerlastwagen, durch das etliche illegale Einwanderer auf dem Weg nach Westen umgekommen waren; über ein Model in Berlin, das man mit Säure ermordet hatte; über eine blutige Unterweltfehde in der früheren Sowjetrepublik Georgien und einen ukrainisch-jüdischen Verbrecherpaten, der in seinem Luxusapartment in Israel getötet worden war.
    »Was hast du gefunden?«, fragte Fabel.
    »Ein Verzeichnis von Kölner Hotels. Zwar steht hier nicht, in welchem sie wohnen will, aber ich würde sagen, das ist eine Auswahlliste. Und sie hat mit jemandem im ukrainischen Innenministerium korrespondiert. Einem gewissen Sascha Andruski.«
    Fabel seufzte. Was sie entdeckt hatten, war detailliert, doch nebensächlich. Den Hauptteil ihrer Rechercheergebnisse hatte Maria nach Köln mitgenommen. Er hielt in dem kleinen Schlafzimmerbüro nach einem Beutel oder einer Reisetasche Ausschau. »Hilf mir, einige dieser Akten einzupacken. Danach muss ich ein paar Anrufe machen.«
    4.

    Fabel unterbrach die vierstündige Fahrt nach Köln unter einem schiefergrauen Himmel an einer Raststätte auf der A1 und tankte seinen BMW auf. Dabei flogen ihm ein paar unschlüssige Schneeflocken ins Gesicht. Statt ins Tankstellenrestaurant zu gehen, kaufte Fabel sich am Imbiss einen Kaffee und ein Salamibrötchen zum Mitnehmen. Er setzte sich in sein Auto, stellte die Heizung an und verzehrte sein Mittagessen, ohne etwas davon zu schmecken. Gleichzeitig las er die Notizen durch, die er sich zu dem von Scholz gelieferten Bericht gemacht hatte. Für Fabel hatte das Ganze viel mit der Lektüre eines Romans gemeinsam, denn er wurde in eine andere Zeit, an einen anderen Ort und in ein anderes Leben versetzt. Ihm lagen sämtliche Einzelheiten des Abends vor, an dem das erste Opfer vor zwei Jahren gestorben war. Doch fiel es Fabel schwer, sich in die Karnevalsverhältnisse hineinzuversetzen. Die Kölner schienen von dem gekünstelten Frohsinn und der aufgesetzten Respektlosigkeit besessen zu sein.
    Er las, was das erste Opfer am Abend seines Todes unternommen hatte. Sabine Jordanski war Friseurin gewesen. Sie hatte an jenem Tag nicht gearbeitet, jedoch vorwiegend das Gleiche wie an einem Arbeitstag getan. Es war Weiberfastnacht, und sie plante, abends mit einer Gruppe von Freundinnen mehrere Kneipen aufzusuchen, in denen temperamentvolle kölsche Bands spielen würden. Zunächst hatte Sabine daher das Haar ihrer Freundinnen und dann ihr eigenes in kräftigen Rosa-, Rot-, Blau- und Gelbtönen gefärbt, wobei sie die Farben schrill kombinierte. Offenbar wollten alle im Karneval jemand anders werden; die wahre Befreiung vom Alltäglichen konnte nur durch eine Maske, ein Kostüm oder eine radikale Veränderung des Äußeren erreicht werden.
    Sabine Jordanski schien eine typische Kölnerin gewesen zu sein: überschwänglich, freundlich, zum Spaßen aufgelegt. Sie war sechsundzwanzig Jahre alt geworden und arbeitete seit vier Jahren in dem Salon. Zum Zeitpunkt ihres Todes hatte sie keinen ständigen Freund – oder jedenfalls keinen, der aufgespürt werden konnte –, doch das war anscheinend eine vorübergehende Situation gewesen. Sabine hatte die Aufmerksamkeit etlicher Verehrer genossen. Am Abend ihres Todes war sie im Gespräch mit drei Männern beobachtet worden. Die Polizei hatte alle drei ausfindig gemacht und als Verdächtige ausgeschlossen. Die sechs Mädchen hatten an jenem Abend vier Bars aufgesucht und einiges getrunken, ohne jedoch berauscht zu sein. Gegen zwei Uhr morgens hatten die anderen Sabine zu ihrer Wohnung am Gereonswall begleitet und sich draußen von ihr verabschiedet. Mehrere Personen liefen in der Gegend herum, aber den Frauen war niemand aufgefallen. Keine hatte konkret gesehen, dass Sabine ihre Wohnung

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