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Jan Fabel 04 - Carneval

Titel: Jan Fabel 04 - Carneval Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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betrat, aber alle hatten es als selbstverständlich vorausgesetzt.
    Am folgenden Morgen wurde sie in einer Gasse, nur zweihundert Meter von ihrem Mietshaus entfernt, aufgefunden. Sie war mit einer roten Krawatte, die noch am Tatort lag, erdrosselt worden, bevor der Mörder sie teilweise ausgezogen und 0,47 Kilo Fleisch aus ihrer rechten Gesäßhälfte geschnitten hatte. Der Moment des Todes war knapp nach dem Zeitpunkt gekommen, als ihre Freundinnen sich von ihr verabschiedet hatten. Jemand hatte auf sie gewartet oder war der Gruppe durch die Stadt gefolgt – wie ein Löwe, der darauf lauert, dass ein Nachzügler von der Herde getrennt wird.
    Sabine Jordanski war eine fröhliche, unkomplizierte Frau gewesen, die nicht viel vom Leben verlangt hatte. Fabel biss in sein Salamibrötchen und schaute sich erneut die Tatortfotos an. Sabines volle weiße Hinterbacken waren entblößt. Die klaffende Furche an der rechten Gesäßhälfte hob sich mit brutaler Anschaulichkeit von der weißen Haut ab. Scholz hatte recht gehabt: Der Mörder hatte seine Metzelei mit rascher Präzision vollzogen. Es gab keine Zacken, keine vorsichtigen ersten Schnitte. Der Mann wusste, was er tat. Plötzlich merkte Fabel, dass er einen Bissen Salami kaute, während er die Bilder einer verstümmelten Leiche betrachtete. Einmal mehr wurde ihm klar, warum er der Mordkommission den Rücken kehren wollte. Was war aus ihm geworden?
    Fabel schloss den Ordner, beendete sein hastiges Mittagessen und fuhr wieder auf die Autobahn in Richtung Köln.
    5.

    Ansgars Miene war voller Qual. Er wusste, was er tun würde, doch er versuchte, sich einzureden, dass er darauf verzichten konnte. Er hatte Zeiten der Schwäche wie jetzt, da ihm noch eine halbe Stunde Zeit bis zum Beginn seiner Arbeit im Restaurant blieb.
    Bevor Ansgar sich an den Computer gesetzt hatte, war er entschlossen gewesen, die Website nicht wieder aufzusuchen. Das hatte er sich beim letzten Mal geschworen. Und bei dem Mal davor. Doch der Bildschirm seines Computers glänzte bösartig und öffnete ein Fenster in eine andere Realität. In Verwüstung und Chaos.
    Er ließ die Finger über der Tastatur schweben. Noch konnte er den Computer ausschalten und sich zurückziehen. Er mühte sich nach Kräften, das Chaos in seinem Innern einzudämmen. Der Karneval näherte sich, und im Karneval ließ jeder … fast jeder … seine Hemmungen fallen. Aber dieser kleine Bildschirm war gefährlich, denn er gestattete dem Chaos in seinem Innern, sich mit einem größeren, umfassenderen Chaos zu verbinden. Dadurch wurde Ansgars Verlangen nicht befriedigt, sondern verschärft. Wurde räuberisch.
    Seine Finger zitterten in köstlicher Vorfreude, doch auch vor Ekel und Furcht. Er tippte die Webadresse ein und stöhnte wie gemartert, als die Bilder vor ihm erschienen. Die Frauen. Das Fleisch.
    Die zubeißenden Zähne.
    6.

    Als Erstes fiel Fabel an Kriminaloberkommissar Benni Scholz’ Büro auf, wie unordentlich und unübersichtlich es war. Als Zweites bemerkte er die große Kopfattrappe in der Ecke. Unwillkürlich starrte Fabel sie an und überlegte, was genau sie darstellen sollte. Wohl eine Art Elch.
    »Ich bin so froh, dass Sie vorbeikommen konnten«, sagte Scholz strahlend, während sie einander die Hände schüttelten. Scholz war nach Fabels Einschätzung etwa zehn Jahre jünger als er und rund zehn Zentimeter kleiner. Aber was Scholz an Körpergröße fehlte, machte er durch seine stämmige, muskulöse Gestalt wett. »Wie ich sehe, bewundern Sie den Bullenkopf für unseren Karnevalswagen. Ich organisiere das Ganze in diesem Jahr.«
    »Oh …« Plötzlich ging Fabel ein Licht auf. »Es ist ein Bulle! Ich dachte, es sei ein Elch …«
    Scholz warf der Kopfattrappe einen finsteren Blick zu und murmelte etwas, das sich für Fabel wie »Scheiße« anhörte. Dann hellte sich Scholz’ Miene wieder auf. »Bitte, Herr Hauptkommissar, nehmen Sie Platz.«
    »Jan und du, bitte«, sagte Fabel. »Schließlich sind wir Kollegen.« Etwas an dem überschäumenden Scholz kam Fabel sehr sympathisch vor. Gleichzeitig beneidete er ihn ein wenig um seine Art, ähnlich wie seinen Bruder Lex, der so aufgeschlossen mit Fremden umging und das Leben so entspannt betrachtete. Deshalb also war Scholz ihm sympathisch: Er erinnerte Fabel an einen jüngeren Lex.
    »Na schön … Jan«, sagte Scholz. »Ich heiße Benni. Hast du schon gegessen?«
    »Auf der Herfahrt.« Fabels Gesichtsausdruck deutete auf die Qualität seiner Mahlzeit

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