Jan Fabel 05 - Walküre
Maklerin, doch sie klang nicht ganz überzeugt. »Es war richtig, rasch zu reagieren. Immobilien von dieser Qualität bleiben in Altona nicht lange auf dem Markt.
Wir haben gerade ein Mietshaus um die Ecke, in der Schillerstraße, von Grund auf renoviert, und die Wohnungen waren schon vergeben, bevor wir die Arbeit beendet hatten.«
»Wie teuer?« Ute Cranz schritt durch das Wohnzimmer zum Fenster. Ihre hohen Absätze klickten auf dem Parkettfußboden.
»Nun, es sind fast zweihundert Quadratmeter. Und vom Balkon hat man einen Ausblick bis hinüber zur Palmaille. Die Monatsmiete beträgt 2900 Euro. Zuzüglich Nebenkosten. Ein für diese Gegend angemessener Preis.«
Ute schaute aus dem Fenster zur Straße hinunter. Ein Mann näherte sich der Haustür des Gebäudes. Er hatte grauweißes Haar, war breitschultrig und bewegte sich, als wäre er jünger. Seine Kleidung - eine schwere Tweedjacke und eine Cordhose -entsprach dem, was sie als »englischen Stil« bezeichnet hätte.
»Ist das einer der Nachbarn?«, fragte sie die Maklerin, die nun ebenfalls hinunterblickte.
»Ja ... ja, ganz richtig. Das ist Herr Gerdes. Er hat das Apartment über diesem. Ein sehr ruhiger Nachbar, genau wie die übrigen Personen im Haus. Mieter der erfreulicheren Art sozusagen.«
»Ich nehme die Wohnung.« Ute lächelte. »Aber ich würde mir die Küche gern noch einmal ansehen.«
10.
»Worum geht es denn?«, fragte Fabel. Anna hatte im Vorraum des Leichenkellers in Eppendorf auf ihn gewartet.
»Dem Anschein nach um einen Mann mittleren Alters und um einen Herzinfarkt«, erwiderte Anna und ging ihm voran in die Leichenhalle.
Fabel blieb stehen. »Ein Herzinfarkt? Und was hat das mit uns zu tun?«
»Nicht was«, korrigierte Anna, »sondern wer ... Der Mann wurde heute Morgen in seinem Hotelzimmer tot aufgefunden. Auf den ersten Blick scheint die Todesursache unverdächtig zu sein. Alle Zeichen deuten auf einen Herzinfarkt hin, aber natürlich wird er noch genau untersucht. Der Mann ist Jens Jespersen, ein dänischer Staatsbürger.«
»Scheiße«, fluchte Fabel. »Der dänische Polizist, mit dem ich mich heute treffen sollte.« Er schaute auf seine Uhr. »Vor einer halben Stunde.«
»Dann lass ihn nicht noch länger warten«, sagte Anna mit einem Grinsen.
Ein Angestellter schob eine Rollbahre in die Mitte des Leichenkellers und zog das Laken fort. Der Mann auf der Bahre war groß und hatte kurzes blondes Haar, das sich scheußlich gelb von der grauen Todesblässe seiner Haut abhob. Seine Lippen hatten sich bläulich verfärbt. Aus dem dänischen Pass, den Anna ihm reichte, erfuhr Fabel, dass er vierundfünfzig Jahre alt war. Aber er hatte den Körperbau eines viel jüngeren Mannes, woraus Fabel schloss, dass Jespersen einiges für seine Fitness unternommen hatte.
»Er sieht nicht aus wie der übliche Infarktkandidat«, kommentierte Anna, als hätte sie seine Gedanken gelesen. Fabel griff nach einem Plastikbeutel, der Jespersens kleinere persönliche Habseligkeiten enthielt. Die Armbanduhr war ein strapazierfähiges Fabrikat, wie man es beim Militär trug. Jespersens dänischer Polizeiausweis identifizierte ihn als »Chefpolitinspektor«, was, wie Fabel vermutete, ungefähr seinem eigenen Rang entsprach. In ein Notizbuch waren unter anderem die Nummer des Polizeipräsidiums Hamburg eingetragen, doch Fabel hatte den Eindruck, dass es sich um ein persönliches Heft handelte, das nicht für Polizeiarbeit benutzt wurde. Auf einer Seite stand der Name OLAF mit großen, doppelt unterstrichenen Blockbuchstaben. Er ließ das Büchlein wieder in die Spurensicherungstüte gleiten.
»Ist das alles?« Er hielt den Beutel hoch.
»Das ist alles«, bestätigte Anna. »Oh, abgesehen davon, dass er nicht gern allein schlief.« Sie zog eine Augenbraue hoch und warf Fabel eine zweite Spurensicherungstüte zu. Diese enthielt einen Souvenirteddybären in Matrosenkleidung und mit einer Prinz-Heinrich-Schirmmütze auf dem Kopf.
Fabel betrachtete den Stoffbären geistesabwesend. »Findest du nicht auch, dass etwas fehlt?«
»Ein >Moin! Moin!< auf seinem kleinen Pullover?« Anna verzog das Gesicht. »Ich weiß, was du meinst. Etwas fehlt. Jespersen wollte hier Gespräche führen, aber wir haben keine Spur von seinem amtlichen Notizbuch, nichts Schriftliches und keine Papiere außer seinen Reiseunterlagen. Und guck dir das an ...«
Sie warf Jespersens Handy in Fabels Richtung. Er musste rasch zugreifen, um es zu fangen,
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