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Jan Fabel 05 - Walküre

Titel: Jan Fabel 05 - Walküre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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Group und Andreas Knabbe, der den Sender gleichzei­tig leitete. Knabbe war dreißig Jahre alt, sah aus wie zwölf und hatte so viel Zeit in den USA verbracht, dass er eher einem Amerikaner als einem Deutschen glich. Auch sein Manage­mentstil war eher amerikanisch als deutsch. Zum Beispiel nannte Knabbe all seine Angestellten beim Vornamen und duzte selbst die älteren und angeseheneren Mitarbeiter häufig. Das sollte eine hemdsärmelig-informelle, freundschaftliche und familienähnliche Atmosphäre erzeugen. Von solchem Un­sinn abgesehen ließ Knabbe jedoch keinen Zweifel daran, dass alle, die ihr Gehalt seiner Meinung nach nicht verdient hat­ten oder nicht zu seinem Geschäftsmodell passten, einpacken konnten. Knabbe hatte Sylvies Erfolg im Engel-Fall in den Neunzigerjahren häufig erwähnt, doch in letzter Zeit sprach er auch über ihre Karriere meistens in der Vergangenheits­form.
    Sylvie hatte das Gefühl, den Ereignissen ausgeliefert zu sein und genau wie alle anderen von Kräften, die sich ihrem Einfluss entzogen, manipuliert zu werden. Das war das Pro­blem: Sie war passiv und faul geworden. Früher hingegen hatte sie nicht darauf gewartet, dass etwas geschah, sondern die Er­eignisse selbst gestaltet.
    Sie verschränkte die Arme und zog ihre dicke wollene Strickjacke fest um sich. Dann trat sie zurück in ihr Wohnzim­mer und schloss die Balkontür vor der frostigen Nacht. Sie goss sich ein weiteres Glas Rotwein ein, hockte sich im Schneider­sitz auf den Boden und ließ die Augen über das vor ihr ausge­breitete Material schweifen. Irgendwo in alledem gab es einen Ausgangspunkt. Irgendwo existierte ein Detail - eine verges­sene Bemerkung oder ein Foto oder eine Information -, das sie auf die Spur der Täterin führen würde. Durch die Engel-Morde in St. Pauli war ihre Karriere in Gang gebracht worden. Sylvie hatte unendlich viel in den Fall investiert und den Lohn dafür eingeheimst. Aber wenn sie nicht als Erste eine Exklusivmel­dung über den neuesten Mord lieferte, würde sich das Ende ih­rer Karriere vielleicht genauso rasch ankündigen.
    Sie trank einen weiteren Schluck Wein. Offenbar stand fest, dass Fabel, der blöde Wichtigtuer, ihr nicht helfen würde. Bei der Polizei Hamburg hatte sie durch ihren bahnbrechenden Dokumentarfilm vor zehn Jahren keine Anhänger gewonnen, und Polizisten hatten ein langes Gedächtnis. Außerdem konnte sie irgendetwas an Fabel nicht ausstehen, und wahrscheinlich beruhte das Gefühl auf Gegenseitigkeit.
    Sylvie wusste, dass ihre einzige Chance darin bestand, Jake Westlands Mörderin eher als die Polizei zu finden. Zwar besaß sie nicht deren Mittel, doch sie war auch keinen polizeilichen Beschränkungen unterworfen. Zudem war sie bestimmt viel ge­witzter, und ihr Hauptvorteil bestand darin, dass die Polizis­ten mit einiger Sicherheit in die falsche Richtung schauten. Vermutlich bemühten sie sich, eine Verbindung zwischen dem aktuellen Fall und den zehn Jahre zurückliegenden Morden des Engels herzustellen. Aber dieses Ereignis hatte nichts mit dem Engel zu tun. Der jüngste Mord war das Werk einer Nach­ahmerin. Das wusste Sylvie einfach.
     
    3.
     
    Armin Lensch konnte nicht entscheiden, was ihm die größten Schmerzen bereitete: seine gequetschten Hoden oder das Ge­lächter und Gespött seiner Kumpel. Er war hinter ihnen herge­torkelt, als sie eine Kneipe in der Nähe des Hans-Albers-Platzes ansteuerten. Armin hatte sich an ihrem Tisch in die Ecke gehockt, vorsichtig an seinem Bier genippt und gehofft, dass seine Übelkeit nachlassen würde.
    »Ein polizeilicher Übergriff... Genau das war's. Ein polizei­licher Übergriff«, sagte er ernst, doch seine Worte lösten eine Lachsalve aus.
    »Nein, das war's nicht«, widersprach Karl und neigte sich zu ihm hin. »Das war kein polizeilicher Übergriff, sondern bloß ein Mädchen, das dich zur Schnecke gemacht hat. Hast du gese­hen, wie groß sie war? Du bist von einem kleinen Mädchen fer­tiggemacht worden, du Flasche.«
    »Sie hat mich überrascht«, murmelte Armin.
    »Nein, sie hat dich an den Eiern erwischt!« Noch mehr grö­lendes Gelächter.
    »Leckt mich am Arsch«, fauchte Armin und drängte sich an ihnen vorbei, wobei er ein Stechen in seinem Unterleib spürte, das ihn zusammenzucken ließ. »Ihr könnt mich alle mal am Arsch lecken.«
    Er taumelte in die kalte Nachtluft hinaus. Die Übelkeit folgte ihm aus der Kneipe, und er entleerte seinen Magen aufs Pflaster. Zwei Passanten beschimpften

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