Jan Fabel 05 - Walküre
ihn.
»Ihr könnt mich alle am Arsch lecken«, wiederholte er leise. Diese Drecksbande würde es büßen müssen. Wofür hielten die sich eigentlich? Armin und seine Freunde arbeiteten in einer Firma in der Hamburger Neustadt. Und er war der Star unter ihnen, der nach ganz oben aufsteigen würde, zumal ihm nach den Entdeckungen, die er gemacht hatte, die dafür erforderliche Unterstützung sicher war. Er ging zurück in Richtung Spielbudenplatz und Reeperbahn, um dort in ein Taxi zu steigen.
Er dachte an die Polizistin, die ihm das Knie in den Unterleib gerammt hatte. Sie würde nicht ungeschoren davonkommen. Hier und nun unterschied er sich nicht von allen anderen, die einen über den Durst getrunken hatten. Aber außerhalb des Kiezes, in seinem normalen Leben, stellte er etwas dar. Er hatte Beziehungen, und das Luder würde für ihr Verhalten bezahlen müssen. Doch bei dem Gedanken, dass eine Scheißfrau ihn zu Boden geworfen hatte, war er den Tränen nahe. Seiner Meinung nach taugten Frauen nur für eine Sache. Er hatte ja erlebt, wie sie es schafften, vor ihm befördert zu werden, die Huren. Armin hatte eine Menge Freundinnen gehabt, doch nie sonderlich lange. Meistens wurden sie kiebig, und dann haute er ihnen eine runter, bevor sie sich allzu hysterisch benahmen. Zum Teufel mit ihnen. Mit allen.
Armin ging weiter. Seine Wut und die Schmerzen im Schritt machten ihn blind seiner Umgebung gegenüber. Er blieb stehen. Wo, verdammt noch mal, war er bloß? Er hatte geglaubt, sich auf dem Kiez auszukennen, doch er musste falsch abgebogen sein. Nachdem er sich einen Moment lang neu orientiert hatte, bog er an der nächsten Straße nach rechts ab. Er sah die Reeperbahn vor sich, aber der Spielbudenplatz lag nun offenbar hinter ihm. Egal, es würde nicht schwer sein, ein Taxi zu finden. In derselben Sekunde fiel sein Blick auf einen beigen Mercedes, und seine Hand hob sich. Eine automatische Reaktion: In Deutschland waren alle Taxis beige, also mussten alle beigen Autos Taxis sein. Mit einem Ächzen ließ er sich auf dem Rücksitz nieder.
»Eppendorf«, stieß er zwischen den Zähnen hervor.
»Fühlen Sie sich nicht wohl?«, fragte eine Stimme vom Fahrersitz. »Sie sehen nicht gut aus.«
Das hat mir noch gefehlt, dachte Armin. Eine Taxifahrerin.
»Bringen Sie mich einfach nach Eppendorf«, sagte er. Die Fahrerin zuckte die Achseln, der Wagen setzte sich in Bewegung und bog nach links in die Reeperbahn ab.
Erst nachdem sie am Ende der Reeperbahn die falsche Richtung zum Fluss einschlug, bemerkte Armin, dass das Taxi keinen Zähler hatte. Auch fehlten der Name der Fahrerin, ihr Foto und die Lizenz der Stadt Hamburg am Armaturenbrett.
Aber mittlerweile war es zu spät.
4.
Fabel fühlte sich erschöpft. Es war viel zermürbender, als er erwartet hatte. Susanne hatte ihn begleitet, und er war dankbar für ihre Anwesenheit.
»Das war sehr lohnend«, sagte eine große, dünne Frau von ungefähr fünfzig Jahren, die auf Fabel zutrat. Durch ihr Namensschild erfuhr er, dass sie Hille Deicher hieß und die Zeitschrift Muliebritas repräsentierte. »Ich hoffe, dass Sie etwas Nützliches von unserem Workshop mitnehmen.«
Fabel lächelte. Ihm leuchtete nicht ein, weshalb Geschäftsleute, Selbsthilfe-Gurus und andere darauf bestanden, Zusammenkünfte als »Workshops« zu bezeichnen. Niemand stellte dabei etwas her; keiner der Teilnehmer an solchen Veranstaltungen arbeitete mit den Händen.
»Es war interessant«, sagte Fabel. »Aber ich hoffe, klargemacht zu haben, dass die Polizei Hamburg keinen zusätzlichen Anstoß benötigt, um sich dem Problem der häuslichen Gewalt und der Gewalt gegen Frauen im Allgemeinen zu widmen. Wir sind sehr ...« Er rang nach dem richtigen Wort.
»Proaktiv«, ergänzte Susanne hilfsbereit.
»Genau«, bestätigte Fabel. »Seit mehreren Jahren betreiben wir ein Antigewaltprogramm. Ich kann Ihnen versichern, dass wir eine Nulltoleranzhaltung vertreten, wenn es um Gewalt gegen Frauen oder Kinder geht. Und wir können bei der Bewältigung des Problems eine der höchsten Erfolgsquoten in Europa aufweisen. Aber ich muss auch betonen, dass wir uns dafür engagieren, alle Bürger Hamburgs zu schützen, unabhängig von ihrem Geschlecht oder von ihrer Volkszugehörigkeit.«
»Leider ist das Verbrechen nicht so geschlechtsneutral«, widersprach Hille Deicher. »Sie haben in Ihrem Vortrag doch selbst gesagt, dass die überwiegende Mehrheit der
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