Jan Fabel 05 - Walküre
haben«, sagte Werner.
Jetzt war es so weit. Sie steckte ebenfalls die Hand in den Mantel.
Werner riss seine Automatik heraus und zielte auf ihr Gesicht. »Polizei Hamburg! Beide Hände auf den Kopf! Sofort. Los!«
Anna war hinter der Prostituierten aufgetaucht. Irgendwie war es ihr gelungen, das Brachland unbemerkt zu umrunden.
Die Nutte starrte Werner verwirrt an. Anna packte sie am Mantelkragen.
»Auf die Knie!«
Sie gehorchte. Anna ließ ein Paar Handschellen um das eine Gelenk der Frau schnappen, zerrte die Hand auf ihren Rücken und fesselte dann die andere. Werner forderte über Funk einen Gefangenentransportwagen an.
Weiter unten auf der Silbersackstraße kam eine Gruppe junger Männer aus einer Bar heraus. Sie steuerten auf den Hans-Albers-Platz zu, doch einem von ihnen fiel das Geschehen auf dem Brachland auf, und er hielt die anderen zurück. Die Schar näherte sich, und die Männer reckten den Hals, um zu sehen, was vor sich ging.
»Ist alles in Ordnung?«, lallte einer misstrauisch. »Was zum Teufel macht ihr hier?«
Anna hielt ihre bronzene ovale Kripomarke hoch. »Polizei. Kein Grund für Sie, sich Sorgen zu machen.«
»Was für ein Scheiß ist das denn?«, fragte ein anderer. »Was hat sie denn getan?«
»Nichts«, sagte die Prostituierte mit flehender Stimme. »Ich habe nichts getan. Ich arbeite bloß hier, und die haben mich verhaftet.«
»Das ist nicht richtig.« Der erste Betrunkene schüttelte ernst den Kopf. »Das ist nicht richtig. Eine Sauerei.«
»Ja. Mistbullen«, meinte einer seiner Freunde.
»Nun mal mit der Ruhe«, rief Werner. Er schob sich zwischen die gefesselte Frau und die Männer und zählte rasch. Es waren fünf. Betrunken und kaum ihrer Stimme mächtig, mit teuer wirkender legerer Kleidung. Wohlhabende Burschen, die in St. Pauli herumlotterten. Trotzdem hoffte Werner, dass die Schutzpolizisten bald eintreffen würden. »Das hier geht Sie nichts an.«
»Aber es ist eine Sauerei«, wiederholte der andere. Die Gruppe rückte vor.
»Bitte machen Sie uns keine Schwierigkeiten.« Anna trat den Männern entgegen.
»Oder was, Dreckstück?« Der erste Mann streckte ihr sein höhnisch grinsendes Gesicht entgegen.
»Oder das«, erwiderte sie gelassen. Der Betrunkene klappte zusammen, sackte auf die Pflastersteine und hielt sich die Hoden, in die Anna ihm das Knie gerammt hatte. Sie schwenkte ihre Dienstwaffe auf Armeslänge in die Unterleibsgegend der jungen Männer.
»Der Nächste, der mich verärgert, kann sich von seinem Schwanz verabschieden«, erklärte sie lächelnd. »Und ihr könnt mir glauben, ich treffe immer, auch wenn das Ziel verdammt klein ist.« Die Männer wichen zurück, während ihr Gefährte sich immer noch stöhnend auf dem feuchten Kopfsteinpflaster wälzte. In diesem Moment rollte ein silberblauer Transporter der Polizei Hamburg heran, und drei Beamte sprangen heraus. Sie führten die Prostituierte in Handschellen in den Gefangenentransporter.
»Was ist hier los?«, fragte der uniformierte Kommissar und zeigte auf den jungen Mann, der sich nun aufrappelte, wobei er immer noch seine gequetschten Hoden umklammerte.
»Nichts, was gemeldet werden müsste«, meinte Werner. »Könnt ihr sie direkt zum Präsidium fahren?«
»Gut. Bist du sicher, dass ihm nichts fehlt?«
»Ich glaube, sein Stolz ist verletzt«, warf Anna ein und lächelte Werner unschuldig zu. »Ich hole den Wagen.«
2.
Sylvie Achtenhagen versuchte, von dem Chaos aus Zeitungsausschnitten und Akten abzuschalten, das sie auf dem Parkettfußboden ihres Wohnzimmers ausgebreitet hatte. Sie öffnete das Panoramafenster und trat auf den Balkon hinaus. Die Nachtluft fühlte sich eisig an, und Sylvie war froh über ihre beißende Schärfe. Nachdem sie sich anderthalb Stunden lang in die Akten vertieft hatte, kam sie sich ausgelaugt und träge vor.
Sylvies Apartment war Teil eines pastellfarbenen Wohnblocks mit einer edlen Art-Deco-Fassade. Es lag im dritten Stock des Gebäudes in der Edgar-Ross-Straße in Hamburg-Eppendorf und war elegant und geräumig. Sie war hier eingezogen, als ihre Karriere - und ihr Gehalt - deutlich nach oben schnellten. Ursprünglich hatte sie es auf eine der Jugendstilvillen in der parallel verlaufenden Nissenstraße abgesehen, doch die Häuser waren zu teuer gewesen. Und sie würden zu teuer bleiben, wenn es Sylvie nicht bald gelang, die Erwartungen beim Sender zu erfüllen.
Die beiden Eigentümer von HanSat TV waren die Neuhansa
Weitere Kostenlose Bücher