Jan Fabel 05 - Walküre
Morde von Männern an Frauen verübt wird, und zwar fast immer in der häuslichen Umgebung. Dem können Sie die zahllosen Angriffe auf Frauen in ihrem eigenen Zuhause hinzufügen.«
»All das trifft zu ...« Fabel warf Susanne einen inständigen Blick zu. »Und wir haben das Thema, wie ich ausgeführt habe, zu einer Priorität gemacht.«
»Vielleicht ist das der Grund, warum diese Frau ihre Morde in St.Pauli begeht ...« Frau Deicher lächelte ohne Wärme. »Vielleicht besteht ihr Motiv darin, das Ungleichgewicht der Gewalt zwischen Männern und Frauen zurechtzurücken. Schließlich gibt es keinen besseren Ort, an dem sie ihr Vorhaben verwirklichen könnte. Es ist ungeheuerlich, dass wir in Hamburg eine Straße haben, die Frauen nicht betreten dürfen.«
»Hören Sie, Frau Deicher ...« Fabel merkte, dass er wütend wurde. »Das hat nichts mit der Polizei oder dem Staat...«
»Was bedeutet Muliebritas eigentlich?«, unterbrach Susanne mit einem Lächeln.
»Das ist die lateinische Form von Muliebrität oder Fraulichkeit und der Name der Zeitschrift, für die ich arbeite. Genauso heißt die Wohltätigkeitsorganisation, die wir unterstützen.« Sie warf Fabel einen spitzen Blick zu. »Wir organisieren Notunterkünfte für weibliche Opfer häuslicher Gewalt.«
»Ein interessanter Name.« Susanne lächelte immer noch. »Leitet sich das spanische mujer davon ab?«
Irgendwie gelang es ihr, das Gespräch in ruhigere Gewässer zu lenken, und nach einer Weile mischte Hille Deicher sich unter die übrigen Anwesenden.
»Dafür schulde ich dir Dank«, sagte Fabel. »Die Frau war kurz davor, mich auf die Palme zu bringen. Ich weiß nicht, warum man unbedingt mich hierherschicken wollte.«
»Weil du der Leiter der Hamburger Mordkommission bist. Und ob es dir gefällt oder nicht, Frau Deicher hat recht: Wir leben immer noch in einer Gesellschaft, in der Frauen Opfer von Gewalt sind. Aber ich finde, du hast deine Sache wirklich gut gemacht.« Sie zog seine Krawatte gerade, als wolle sie ihn als Nächstes zur Schule schicken. »Besonders weil Frauen dich völlig durcheinanderbringen.«
»Was meinst du damit?«, fragte Fabel empört.
»Es stimmt doch. Du glaubst offensichtlich, dass wir von einem ganz anderen Planeten stammen. Aber mach dir keine Sorgen, die meisten Männer denken das Gleiche ...«
Bevor Fabel antworten konnte, summte sein Handy. Er schaute auf das Display. Es war die Mordkommission.
»Entschuldige«, sagte er mit einem Achselzucken und hob das Handy ans Ohr. »Wahrscheinlich ein neuer Mord.«
»Wenn du recht hast«, erwiderte Susanne, »würde ich trotz der Engel-Morde wetten, dass das Opfer eine Frau ist.«
5.
Fabel traf sich im Flur vor dem Vernehmungszimmer mit Anna und Werner. Beide trugen eine alles andere als frohlockende Miene zur Schau.
»Sagt bloß, dass sie die Mörderin ist«, meinte Fabel.
»Es hatte den Anschein, Jan«, antwortete Werner. »Wirklich. Sie hat mich auf ein leeres Grundstück gelockt, sodass wir außer Sicht waren. Außerdem schien sie nicht zu wissen, wie sich Nutten normalerweise verhalten, und als sie in ihren Mantel griff, haben wir sie festgenommen.«
»Aber?«
»Sie heißt Viola Dahlke«, erklärte Anna. »Fünfundvierzig und keine Vorstrafen. Eine Hausfrau aus Billstedt.«
»Trotzdem könnte sie unsere Mörderin sein. Habt ihr ein Messer sichergestellt?«
»Nein«, erwiderte Anna. »Als sie in ihren Mantel griff, dachten Werner und ich, dass sie ein Messer herausholen wollte, aber es war nur ein Päckchen Präservative.«
»Präservative?«
»Mehr nicht«, sagte Anna. »Frag mich nicht, was eine fünfundvierzigjährige Hausfrau aus Billstedt veranlasst, im Rotlichtviertel aufzutauchen, damit sie Werner auf Touren bringen kann.«
»Schon gut«, meinte Fabel. »Ich frage sie lieber selbst.«
Eine Verhaftung ist ein Freiheitsentzug. Man wird an einen Ort befördert, den man sich nicht aussuchen kann, und hat keine Möglichkeit, ihn zu verlassen. Berufsverbrecher akzeptieren Verhaftungen als natürlichen Bestandteil ihres Lebens - sogar diejenigen, die sich auf dem Gang zur Zelle mit allen Kräften widersetzen. Für alle anderen ist eine Verhaftung ein traumatisches oder zumindest surreales Erlebnis.
Fabel wusste auf den ersten Blick, dass Viola Dahlke noch nie zuvor in Haft gewesen war. Wahrscheinlich hatte sie nicht einmal den Fuß in eine Polizeiwache gesetzt, geschweige denn ins Polizeipräsidium. Sie wirkte entgeistert und
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