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Jan Fabel 05 - Walküre

Titel: Jan Fabel 05 - Walküre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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bevor sich der Däne bei ihm vorstellte. Ein paar Sekun­den lang wurde er von einer sehr attraktiven Blondine in einem teuren Kostüm und einem dunkelblauen Mantel abgelenkt. Sie begegnete seinem Blick kurz, und er schaute weg, teils aus Ver­legenheit, weil ihr aufgefallen war, dass er sie beobachtet hatte, und teils aus Ärger darüber, dass er sich von seiner Aufgabe hatte ablenken lassen.
    Dann entdeckte er ihn: einen großen, hellblonden Mann von ungefähr fünfzig Jahren, dessen Anzug die Breite seiner Schultern nicht verbergen und sein stämmiges Äußeres nicht abschwächen konnte. Alles an ihm deutete auf einen Polizisten hin, und Fabel stellte sich vor, dass Jespersen zu Lebzeiten so ähnlich ausgesehen hatte. Der Mann nickte in Fabels Richtung und eilte auf ihn zu. Fabel lächelte und wollte gerade die Hand ausstrecken, als der Mann an ihm vorbeischritt und seine Koffer dem Chauffeur aushändigte, der neben Fabel stand und ein Schild mit dem IBM-Logo hochhielt. Wie um die Kränkung zu verstärken, die Fabel durch seine mangelhafte Kombinations­gabe erlitten hatte, erteilte der »Däne« seinem Fahrer Anwei­sungen mit einem breiten bayerischen Akzent.
    »Sie hatten also jemand anderen erwartet«, sagte eine weib­liche Stimme auf Englisch.
    Fabel drehte sich um, und die attraktive junge Frau, die er gerade bemerkt hatte, stand nun vor ihm. Sie zog eine Augen­braue hoch.
    »Politidirektor Vestergaard?«, fragte er verlegen.
    »Ja, ich bin Karin Vestergaard. Tut mir leid, ich weiß, wie verwirrend das ist.« Sie verdrehte die Augen. »Ich bin befördert worden, weil ich einen so verdammt guten Kaffee koche, und nun haben sie mich hergeschickt, weil all die Männer mit der Lösung wirklich komplizierter Fälle beschäftigt waren.«
    Fabel lächelte matt über den Scherz, doch seine Miene er­starrte, als er das kalte Glitzern in ihren eisblauen Augen zur Kenntnis nahm. Das war kein guter Anfang. »Ich parke drau­ßen«, sagte er kläglich.
     
    Der Weg zu Fabels BMW erwies sich als nicht angenehm. Nachdem er sich nach dem Flug und dem Wetter in Kopenha­gen erkundigt hatte, fiel es ihm schwer, Small Talk zu machen. Politidirektor Vestergaard hielt offensichtlich nichts von seich­tem Geplauder. Sie fuhren schweigend die Alsterkrugchaussee entlang in Richtung Stadtzentrum.
    »Wir haben in ein paar Monaten eine Wahl«, sagte er schließlich mit künstlicher Munterkeit. »Für die Bürgerschaft, die dann den Ersten Bürgermeister bestimmt. Das ist im Grunde der Ministerpräsident des Landes Hamburg. Unter den Kandidaten ist übrigens auch eine Dänin. Eigentlich eine Deutschdänin - von der Dänisch sprechenden Minderheit in Schleswig-Holstein.«
    Karin Vestergaard wandte Fabel den Kopf zu und bedachte ihn mit einem nachsichtigen, desinteressierten Lächeln. Etwas an ihrem Gesicht störte ihn, doch er wusste nicht, was. Sie ka­men an einem Schild vorbei, das den Beginn des Stadtteils Eppendorf anzeigte.
    »Liegt hier nicht Ihr Institut für Gerichtsmedizin?«, wollte die Dänin wissen.
    »Ja«, antwortete Fabel. »Das stimmt. Sie kennen Hamburg?«
    »Nein. Ich habe mich vor meinem Abflug informiert. Ist Jens dort?«
    »Dort befindet sich das Leichenschauhaus, ja.«
    »Ich möchte ihn gern sehen. Sofort.«
    »Jetzt gleich? Ich wollte Sie zuerst zu Ihrem Hotel bringen und Sie dann zum Präsidium fahren. Ich weiß, dass ...«
    »Das verstehe ich nicht«, unterbrach sie ihn mit kühler, har­ter Stimme. »Wo ist das Problem, wenn wir ohnehin schon in Eppendorf sind. Ich möchte Jens sehen. Was spricht dagegen?«
    Fabel zuckte die Achseln und bog in die Geschwister-Scholl-Straße ein.
     
    Das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf ist ein riesiger Gebäudekomplex, fast eine Kleinstadt, zwischen der Geschwister-Scholl-Straße im Norden und der Martinistraße im Süden. Es hat sogar einen eigenen Park neben der Martinistraße, und als Fabel an dessen Nordgrenze entlang zum Butenfeld fuhr, er­hoben sich gewaltige Kräne über den Gebäuden.
    »Das hier ist ein Ausbildungskrankenhaus«, erklärte Fabel. »Zurzeit entsteht ein neuer, mit modernster Technologie ausge­statteter Campus.«
    Falls Karin Vestergaard beeindruckt war, verbarg sie es sehr gut. Sie starrte finster vor sich hin, als seien ihre Gedanken be­reits in die Leichenhalle zu ihrem toten Kollegen enteilt. Fabel fand einen Parkplatz vor dem Institut für Rechtsmedizin und führte die Dänin durch die Glasdoppeltür in den Empfangsbe­reich. Es

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