Jan Fabel 05 - Walküre
folgen.«
»Das stimmt nicht. Ich wohne in Altona.«
»Lassen Sie den Blödsinn, Frau Achtenhagen. Es ist fast 3.30 Uhr, und ich möchte nach Hause. Wir haben nun einen vollständigen Zirkel beschrieben, und Sie sind hinter mir hergefahren, seit ich den Mordschauplatz verlassen habe.«
»Hat sich noch ein Mord ereignet?« fragte die Journalistin. Ihre Überraschung war ungefähr so echt wie ihre frühere Empörung. Fabel verschränkte die Arme, um seine Ungeduld deutlich zu machen. »Schwamm drüber. Aber ich habe das Recht, überallhin zu fahren und zu folgen, wem ich will. Sie und Ihre Abteilung sind nicht gerade hilfreich. Deshalb habe ich beschlossen, Sie im Auge zu behalten. Und heute Nacht hat sich's hundertprozentig gelohnt. Wer war das Opfer?«
Fabel schwieg.
»Also, Herr Fabel, unsere Zusammenarbeit hat nicht besonders gut begonnen.«
»Sie hat überhaupt nicht begonnen. Es ist nicht meine Aufgabe, mich mit den Medien auseinanderzusetzen. Das wissen Sie doch. Und seien wir ehrlich, Frau Achtenhagen, das Satellitenfernsehen ist nicht gerade bekannt für seine gründlichen, hochwertigen Recherchen. Ich kenne Ihre Theorie, dass Fernsehjournalisten Nachrichten erzeugen und nicht nur darüber berichten sollten. Ihnen geht es bloß um Effekthascherei. Um blutige Einzelheiten und einen Comicschurken, mit dem Sie die Öffentlichkeit erschrecken können. Aber ich habe es mit der Realität zu tun.«
»Wir könnten einander unterstützen«, beteuerte Sylvie Achtenhagen.
»Nein, bestimmt nicht. Oder zumindest können Sie mir nicht helfen. Dies ist keines Ihrer billigen Samstagabenddramen. Einen Mörder zu überführen und verurteilen zu lassen erfordert professionelle Polizeiarbeit, forensische Wissenschaft, moderne Technologie und legal gesammeltes Beweismaterial. Wir brauchen keine Detektivin vom Satellitenfernsehen, die uns die Arbeit abnimmt.«
»Davon rede ich überhaupt nicht.« Sie hatte die Stimme erhoben. »Sie können über meine Tätigkeit denken, was Sie wollen, aber es gibt Dinge, die ich herausfinden kann und Sie nicht. Ebenso gibt es Menschen, die mit mir sprechen, aber eher die Beine in die Hand nehmen, bevor sie einem Polizisten Vertrauen schenken. Ich weiß Bescheid über Carsten Kaminski, den Mann des Volkes von der Davidwache. Sie glauben, dass er den Finger am Puls der Reeperbahn hat, aber er kriegt nur die Hälfte von dem mit, was sich abspielt. Denn schließlich ist er Polizist. Niemand mag Polizisten, doch die meisten mögen das Fernsehen. Sie mögen mich und sprechen mit mir.«
»Wie ich Ihnen bereits gesagt habe ...«
Sylvie Achtenhagen schnitt ihm das Wort ab. »Ich behaupte nicht, dass ich Ihnen den Mörder oder die Mörderin oder auch nur zwingende Beweise liefern kann. Aber es gibt eine gute Chance, dass ich es schaffe, Ihnen die Richtung anzuzeigen.«
»Das ist sehr gemeinnützig von Ihnen gedacht.« Fabel machte keinen Versuch, seinen Hohn zu verbergen. »Ich nehme an, Sie werden zu uns kommen, bevor Sie Ihre Theorien auf HanSat verbreiten.«
»Ganz richtig. Unter einer Bedingung.«
»Und die wäre?«
»Wenn ich Ihnen etwas liefere, das Sie zu dem oder der Schuldigen führt, dann geben Sie mir nach der Verhaftung ein Exklusivinterview. Fünf ... nein, zehn Stunden bevor Sie die Einzelheiten für die übrige Presse freigeben.«
»Selbst wenn ich ein Interesse an einem solchen Angebot hätte, wäre ich nicht in der Lage, es zu akzeptieren. Unsere Presseabteilung hat wirklich gute Beziehungen zu den lokalen Medien. Das wäre nicht mehr sehr lange der Fall, wenn wir ihnen keine aktuellen Nachrichten zukommen ließen.«
»Ihre Presseleute würden damit fertig werden, und Sie hätten den Täter oder die Täterin.« Sie zupfte an ihrem Mantelkragen. »Aber hier ist es eiskalt. Meine Wohnung liegt in der Nähe. Ich könnte uns einen Kaffee kochen und unter bequemeren Umständen mit Ihnen über die Sache reden.«
»Ich fahre nach Hause, Frau Achtenhagen.« Fabels Stimme war plötzlich hart geworden.
»Denken Sie aber wenigstens über meine Worte nach.«
»Gute Nacht, Frau Achtenhagen.«
Fabel stieg in sein Auto und schaute wartend in den Rückspiegel, bis Sylvie Achtenhagen sich entfernt hatte. Er blieb noch eine Weile sitzen und dachte über das Gespräch mit der Journalistin nach, bevor er den Gang einlegte und seinen BMW nach Othmarschen lenkte.
7.
Fabel parkte vor der Klinik für Psychiatrie des Universitätsklinikums
Weitere Kostenlose Bücher