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Jan Fabel 05 - Walküre

Titel: Jan Fabel 05 - Walküre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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zumachen und von trendigen Bars, Musiktheatern und Luxuswohnungen abgelöst werden. Sogar eine Werbeagentur richtet hier ihre Büros ein.«
    »All das ist doch von Vorteil, oder?«
    »Na ja, es gibt auch eine Kehrseite. Früher hat man billigen Sex verkauft. Nun verkauft man Gesöff. Der Kiez ist von der britischen Krankheit angesteckt worden: von Sauforgien, be­sonders in den Clubs. Dadurch haben wir es nun mit einer an­deren Art von Straßenverbrechen zu tun. Weniger Diebstahl, mehr Gewalt.«
    »Funktioniert das Verbot nicht?« Anna meinte die kurz vor­her ergangene gerichtliche Verfügung gegen das Tragen von Waffen auf der Reeperbahn und auf dem Kiez. Eine waffenfreie Zone war eingerichtet und durch gelbe Schilder an ihren Gren­zen markiert worden.
    »Ein bisschen schon. Aber Ihr Engel scheint sich nicht da­ran zu halten.«
    Anna lachte. Sie beendeten ihr Gespräch, als sie am Eingang eines weiteren Clubs ankamen. Zwei stiernackige Neandertaler hatten die Hände in der traditionellen Haltung von Sicherheits­personal vor dem Körper verschränkt.
    »Warum stehen die immer so da?«, wollte Anna von Wang­ler wissen. »Als müssten sie ihre Eier schützen.«
    »Vielleicht haben sie von Ihnen gehört«, meinte Wangler glucksend.
    »Sie wissen davon?«
    »Jeder weiß davon.« Wangler wandte sich an den ersten Tür­steher. »Hallo, Heiner.«
    »Hallo, Theo.« Der gewaltige Türsteher sprach mit einer er­staunlich sanften und hohen Stimme. »Wie geht's?«
    »Muss ja. Heiner, das hier ist Kriminalkommissarin Wolff von der Mordkommission. Sie möchte euch ein paar Fragen stellen.«
    »Sie kann mich alles fragen, jederzeit ...« Der Türsteher lä­chelte. Sein Kumpel schloss sich ihm an, doch Anna hielt das für eine Reflexhandlung, denn der andere Türsteher wirkte nicht hinreichend hoch entwickelt, um zu unabhängigem Den­ken fähig zu sein. Anna erwiderte das Lächeln müde. Dann reichte sie Heiner ein Foto von Armin Lensch.
    »Haben Sie diesen Mann vielleicht gesehen?«, fragte sie.
    Der Türsteher warf einen Blick auf das Foto, zuckte mit den mächtigen Schultern und gab es Anna zurück. Dann stutzte er. »Einen Moment. Darf ich es noch mal angucken?« Anna hielt ihm das Foto erneut hin. »Ja. Ja, den habe ich gesehen. Frei­tag ... nein, Samstagabend. Da drüben.« Er deutete über die breite Fahrbahn hinweg. »Wie er in ein Taxi gestiegen ist.«
    »Erinnern Sie sich an jeden, der in ein Taxi steigt?«, fragte Anna skeptisch.
    »Nein. Aber ich erinnere mich an den Kerl, weil es meiner Meinung nach kein Taxi war. Jedenfalls keins im Dienst. Es sah komisch aus.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Also, es war das richtige Modell, ein Mercedes der E-Klasse, und es hatte die richtige Farbe, elfenbein-beige, aber kein Dachschild. Ich bin auf den Wagen aufmerksam gewor­den, weil er hinter dem Mann aufgetaucht ist. Er wusste wahr­scheinlich nicht, dass es kein Taxi war. Man muss auf so 'nen Kram aufpassen - Strolche, die sich als Taxifahrer ausgeben und zum Beispiel Mädchen mitnehmen. Oder Besoffene in die Kiste laden und ihnen das Geld klauen. Aber es kommt selten vor, weil fast keiner ein Auto von derselben Farbe wie 'n Taxi hat.«
    »Und Sie sind sich sicher, dass dieser Mann in das Taxi ge­stiegen ist? Oder in das falsche Taxi?« Anna tippte auf das Foto.
    »Ja, er war früh am Abend mit einer Gruppe von anderen Typen hier. Hatte ein großes Maul, der Blödmann. Ich habe ihn auf der anderen Straßenseite wiedererkannt.«
    »Du achtest doch darauf, dass die Leute nicht beklaut wer­den. Warum hast du nicht gemeldet, dass er in den Wagen ge­stiegen ist, oder wenigstens versucht, es zu verhindern?«, fragte Wangler.
    »Es hätte auch ein echtes Taxi sein können. Außerdem habe ich nicht geglaubt, dass er sich in Gefahr begab.«
    »Wieso?«, hakte Anna nach.
    »Naja ...« Heiner der Neandertaler hob die massigen Schul­tern. »Ich war mir sicher, dass ihm nichts passieren kann. Schließlich war es 'ne Fahrerin.«
     

3.
     
    Birta schlich sich an das Haus heran und blieb dabei außerhalb der gelben Lichtkegel, die aus den unverhangenen Fenstern auf den Schnee fielen. Das war etwas, woran man einfach nicht dachte, wenn man an einem Ort wie diesem wohnte — die Jalou­sien oder Vorhänge zu schließen. Der Wald war ein Schutz vor der Welt. Niemand konnte die Bewohner sehen.
    Da die erhellten Zimmer leer zu sein schienen, musterte sie auch die dunklen Fenster. Nichts. Sie bewegte sich auf die Seite des Hauses zu.

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