Jan Fabel 05 - Walküre
Hinausfahren gefilmt worden sein. Wenn jemand das rasch feststellen kann, dann ist es Wangler.«
»Schon gut.« Fabel hob abwehrend die Hände. »Hast du Jürgen Mann überprüft?« Er sprach von dem Zeugen, der sich an Carsten Kaminski gewandt hatte.
»Mhm«, machte Anna. »Nichts Besonderes. Eine Vorstrafe wegen Marihuanabesitzes - sonst nichts. Anscheinend sterben Männer wie er langsam aus.«
»Was meinst du damit?«
»Laut Wangler ...«
»Deinem neuen besten Kumpel«, unterbrach Werner.
»Schön wär's ... Also, laut Wangler gibt es heutzutage auf dem Kiez immer weniger Ekelpakete wie Mann. Bei all den Kameras auf der Reeperbahn - selbst wenn sie strategisch angebracht sind - will heutzutage niemand dabei gefilmt werden, wie er einen Puff betritt oder aus ihm herauskommt. Stattdessen gibt es immer mehr Callgirls und Hostessenagenturen. Wangler meint, dass Straßenmädchen auf dem Kiez im Gegensatz zu früher kaum noch Kunden finden. Außerdem erfolgt ein ständiger Nachschub von eingeschmuggelten Frauen ins unregulierte Prostitutionsgeschäft in anderen Stadtteilen.«
»Meistens gegen ihren Willen«, warf Fabel ein.
»Vielleicht. Aber ein Mistkerl, der für Sex bezahlt«, sagte Anna, »wird sich wohl kaum den Kopf darüber zerbrechen, ob das Hühnchen frei laufend ist oder aus der Massenzucht stammt, wenn ihr wisst, was ich meine. Jedenfalls sind weniger Freier auf der Straße. Der Kiez ist eher voll von Leuten wie Armin Lensch, die sich besaufen und Streit vom Zaun brechen. Wenn ihr mich fragt, war Mann ehrlich. Er hat tatsächlich geglaubt, dem Engel gegenübergestanden zu haben. Aber wir haben wieder kein CCTV, das seine Behauptung bestätigt.«
»In Ordnung ...« Fabel schwieg ein paar Sekunden lang und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Hört mal, wir haben eine Besucherin. Eine Kollegin aus Dänemark. Ich habe sie gebeten, heute Nachmittag ins Präsidium zu kommen. Und ich möchte, dass du mit ihr redest, Anna. Du auch, Werner.«
»Ein PR-Job?«, fragte Anna. »Natürlich mache ich das. Schließlich wissen wir alle, dass ich eine geborene Diplomatin bin.«
»Das ist nicht der Grund, weshalb ich möchte, dass du mit ihr redest, Anna. Sie heißt Karin Vestergaard und ist eine hohe Beamtin bei der dänischen Nationalpolizei. Ranghöher als ich.«
»Hat das etwas mit dem Dänen zu tun, der an einem Herzinfarkt gestorben ist?«, fragte Werner.
Anna tauschte einen wissenden Blick mit Fabel aus. »Der angeblich an einem Herzinfarkt gestorben ist«, korrigierte sie.
»Politidirektor Vestergaard hat genau den gleichen Verdacht wie du, Anna. Und sie hat einige Indizien, um ihn zu untermauern. Ich möchte, dass du mit ihr redest, weil du bei Jespersens Tod misstrauisch geworden bist.«
»Also war es Mord?«, fragte Werner.
»Das werden wir hoffentlich bis Mittag wissen. Wenn Möller seine Arbeit macht.«
»Möller mag ein Blödmann sein«, sagte Werner, »aber er ist einer der besten Gerichtsmediziner, mit denen ich je zusammengearbeitet habe.«
»Übrigens konnte uns Frau Vestergaard einige konkrete Hinweise geben. Ich will jetzt nicht ins Einzelne gehen, aber in Jespersens Biografie haben sich ein paar schwerwiegende Dinge abgespielt. Und falls die Autopsie irgendetwas Verdächtiges erbringt, wird Jespersens Tod zu einem akuten Fall. Wenn er ermordet wurde, wird eine Ermittlung mit allen möglichen Konsequenzen eingeleitet. Die Hauptsache ist, Anna, dass du die Idee gehabt hast ... eine gute Idee.«
»Wie ist sie denn?«, erkundigte sich Werner. »Die dänische Polizistin, meine ich.«
»Zieh dir Handschuhe an, wenn du sie begrüßt«, riet Fabel, »sonst kriegst du Frostbeulen.«
5.
»Sie sind vom Fernsehen?« Die alte Frau lächelte, und Sylvie wünschte sich, dass sie es nicht tun würde. Ihre verdorbenen Zähne schienen weniger der Aufmerksamkeit eines Zahnarztes als der eines Archäologen zu bedürfen. »Stimmt das?«
»Das stimmt ... HanSat.« Sylvie lächelte süß - so süß wie immer, wenn sie von jemandem Informationen benötigte. Ihr Blick schweifte über das Quadrat Brachland, das von einem halb eingestürzten Zaun umgeben war. Sie befanden sich unten am Hafen, am Südrand von St. Pauli. Am anderen Elbufer hoben riesige Maschinen Container aus einer Armada von Frachtern. Die kalte Luft war von den rhythmischen Summtönen zurücksetzender Kräne erfüllt.
»Nie gehört. Hab keine Glotze.« Die alte Frau machte eine ausladende
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