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Jan Fabel 05 - Walküre

Titel: Jan Fabel 05 - Walküre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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Auf halber Strecke befand sich eine Tür. Ver­schlossen. Sie drückte sich an die Wand und schlich zum hinte­ren Teil des Hauses. Eine weitere Tür. Sie legte die Hand auf den Griff. Leise öffnete sich die Tür. Dahinter lag die Küche: ein großer, mit Kiefernholz verkleideter Raum, der teuer wir­kende Einbauteile und in einer Ecke ein paar nicht aufeinander abgestimmte Leder- und Polstersessel enthielt. Der große Ge­frierschrank war mit Notizen hinter Kühlschrankmagneten be­deckt. Birta zog die Tür behutsam zu, blieb reglos stehen und richtete all ihre Aufmerksamkeit auf mögliche Geräusche aus dem Innern des Hauses. Nichts. Verdammt, vielleicht war er nicht hier. Normalerweise wäre das kein Problem gewesen, denn sie hätte neue Pläne machen können. Aber Birta hatte eine Spur hinterlassen: Draußen im Wald lag ein Mann mittle­ren Alters mit einem durchbohrten Herzen.
    Leise trat sie hinaus in den Flur. Immer noch keine Lebens­geräusche. Birta schob sich zum Arbeitszimmer vor, wobei sie einen prüfenden Blick in die anderen Räume warf. Ungefähr auf halber Strecke öffnete sich die Tür links unmittelbar vor ihr, und das Rauschen eines sich füllenden Spülkastens hallte im Flur wider. Die Zielperson trat heraus und zuckte bei Birtas Anblick zusammen. Sie riss die Pistole hoch und richtete sie auf seinen Kopf.
    »Ich habe Sie erwartet.« Er lächelte schwach.
    »Mich?«
    »Vielleicht nicht Sie speziell, aber jemanden wie Sie.« Er schaute an ihr vorbei den Flur entlang. »Wahrscheinlich hatte ich einen Mann erwartet.«
    »Ich bin kein Mann«, sagte Birta. Es hat keinen Zweck, je­manden hinter mir zu suchen, dachte sie. Dein Helfer kommt nicht. Keine üble Überraschung für mich. Keine Gnadenfrist für dich.
    »Das ist mir klar ... Aber Sie brauchen nicht ...« Er konnte den Satz nicht mehr beenden. Birtas Kugel traf ihn mitten in die Stirn, und er kippte nach hinten. Sein Körper war starr wie ein gefällter Baum. Birta ging auf ihn zu. Sie wusste, dass er bereits tot war. Dunkelrotes, fast schwarzes Blut sickerte aus einem Na­senloch und dem linken Ohr. Trotzdem kauerte sie sich zu sei­nen Füßen nieder, zielte an seinem Körper entlang auf die Un­terseite seines Kiefers und feuerte eine zweite Kugel ab. Die Zielperson zuckte, als schüttele sie protestierend den Kopf, aber in Wirklichkeit war es die Wirkung des langsamen Hohlspitz­geschosses, das ihr Gehirn innerhalb ihres Schädels zerstörte.
    Birta stand auf und prägte sich ein, an welcher Stelle im Flur sie sich befand und wie sie diesen Punkt erreicht hatte. Sie ver­maß die forensische Distanz.
    Das Treffen war beendet.
     
    Sie fuhr die Nacht hindurch zurück. Es herrschte Schneegestö­ber, aber die Schnellstraßen waren geräumt worden. Sie über­ließ sich dem Komfort des Fahrersitzes, schaltete ihre Musik an und entspannte sich - jedoch nicht so sehr, dass sie einen Fehler machen konnte, der die Aufmerksamkeit auf sie lenken würde. Wieder überquerte sie die schwedische Grenze an einer Straße ohne Zollkontrolle und steuerte auf Stockholm zu. Am folgen­den Morgen gab sie das Auto am Flughafen Bromma zurück und begab sich zu dem Parkplatz, wo sie ihr in Dänemark regis­triertes Fahrzeug abgestellt hatte. Damit war Birta Henningsen, die kaum mehr als sechsunddreißig Stunden lang existiert hatte, wie vom Erdboden verschwunden.
     

4.
     
    Fabel machte sich früh zum Polizeipräsidium auf. Während er nach Winterhude fuhr, zeigte sich die Sonne am klaren Him­mel, und der noch liegende Schnee war durch den Nachtfrost harsch geworden. Dieses Wetter gefiel Fabel. Schon als Junge war er ein Wintermensch gewesen.
    In seinem Büro sah er sich die internen E-Mails an und fand eine Nachricht seines Vorgesetzten vor: Van Heiden erinnerte ihn an die Konferenz über Gewalt gegen Frauen. Wieder ein­mal. Fabel schrieb eine kurze Antwort, in der er dringend um ein Gespräch mit van Heiden bat. Außerdem hinterließ er Mit­teilungen für Anna und Werner, dass sie sich sofort nach ihrer Ankunft bei ihm melden sollten.
    Fabel öffnete seine Schreibtischschublade, holte einen Skiz­zenblock hervor, legte ihn auf die Tischplatte und schlug ihn auf. Er betrachtete die leere, saubere Fläche weißen Papiers und seufzte. So fing es immer an. Fabel benutzte seit fünfzehn Jah­ren solche Blöcke für seine Mordermittlungen. Bei Einzel-, Mehrfach- und Serienmorden. Niemand außer ihm bekam die Blöcke je zu Gesicht. Für Fabel war dies eine

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