Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Jan Fabel 05 - Walküre

Titel: Jan Fabel 05 - Walküre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
Vom Netzwerk:
Menschen Sorgen machst. Ich habe unsere Beziehung nicht erwähnt. Auch deine anderen Vorschläge habe ich berücksichtigt. Aber ich glaube immer noch, dass es besser gewesen wäre, sie persön­lich zu unterrichten. Ein Brief... ich weiß nicht ...«
    »Darf ich mal sehen?«
    Er reichte ihr den Brief, und sie las ihn durch. Wie Emily angeregt hatte, teilte Claasens seiner Frau mit, dass er nicht mehr wie bisher weiterleben könne, dass die Arbeit den Stress erhöht habe und dass es ihm leid tue, ihr und den Kindern durch seinen Schritt Schmerzen zu bereiten.
    »Perfekt«, sagte Emily und faltete den Brief zusammen. Sie lehnte sich gegen das Metallgeländer, das aus Sicherheitsgrün­den vorübergehend errichtet worden war, während man das Obergeschoss fertigstellte. Claasens packte ihren Ellbogen und zog sie zurück.
    »Du musst vorsichtig sein, Emily«, warnte er sie väterlich.
    »Wirklich eine schöne Gebäude.« Sie schaute die zehn Stockwerke ins Atrium hinunter.
    »Es soll die moderne Interpretation eines alten Hamburger Kontorhauses sein - du weißt schon, der roten Backsteinhäuser mit einem riesigen Innenhof in der Mitte.«
    »So ein seltsamer Name«, sagte sie mit ihrem starken Ak­zent. »Was bedeutet... Kontorhaus?«
    »Solche Häuser stammen noch aus den Tagen der Hanse. Fast jede Hansestadt in Europa hatte ein Kontorhaus: Ham­burg, Bremen, Rostock, Danzig, St. Petersburg. Sogar in Lon­don gab es eines. Bremen und Hamburg sind die einzigen, die sich noch offiziell Hansestadt nennen.«
    »Und dieses Gebäude soll sein wie altes Hanse-Kontor­haus?« Sie schaute wieder über das Geländer hinunter.
    »Ja«, erwiderte Claasens zerstreut. »Emily, tritt vom Gelän­der zurück. Es ist nur provisorisch.« Er lächelte sie an und strich eine rote Haarsträhne hinter ihr Ohr zurück. »Du weißt doch, dass du ein bisschen unfallgefährdet bist. Wir sollten eigentlich gar nicht hier oben sein.«
    »Wie hoch ist es?«, fragte sie und beugte sich noch weiter über das Geländer. Claasens zog sie sanft zurück.
    »Ich weiß nicht - vielleicht vierhundert Meter.«
    »Das ist eine beachtliche forensische Distanz«, meinte sie gedankenverloren.
    »Was hast du gesagt, Emily?«
    Sie richtete sich auf und wandte sich um. »Ich habe gesagt, das ist eine beachtliche forensische Distanz. Das war eines der ersten Dinge, die ich gelernt habe: so viel forensische Distanz wie möglich zwischen mich selbst und den Ort und Moment des Todes zu bringen.«
    Claasens runzelte verblüfft die Stirn. Er verstand sie nicht. Auch konnte er nicht begreifen, warum sie nun korrekt und ak­zentfrei sprach. Ihre behandschuhte Hand schnellte hoch wie ein Messer und schlug mit aller Wucht an seine Halsseite, knapp unter seinem Kinn und hinter dem Ohr. Die Welt wurde durch den Schlag trüber, und er merkte, wie seine Beine nach­gaben. Claasens wusste nicht, was geschah, doch er trat vor, um sie zu packen. Sie wich ihm mit einem Tempo und einer Präzi­sion aus, deren er sie nicht für fähig gehalten hätte. Ihre Hand­kante traf ihn erneut an genau derselben Stelle, und diesmal wankte er tatsächlich. Emily trat zur Seite und nutzte Claasens Schwung geschickt, um ihn über das Sicherheitsgeländer zu stoßen.
    Auf dem Weg nach unten schrie er nicht einmal.
    Sie blickte hinunter in den mächtigen Innenhof. Claasens lag neun Etagen unter ihr wie eine zerbrochene Puppe auf den Fliesen. Ein purpurner Heiligenschein umgab seinen Kopf. Er schien auf seinem schönen Gesicht gelandet zu sein.
    Emily nahm den Brief, bei dessen Formulierung sie mitge­wirkt hatte, und warf ihn über den Geländerrand, sodass er zum Fußboden des Atriums hinunterflatterte.
     

Viertes Kapitel
     

1.
     
    Fabel hatte nur ein kurzes Telefongespräch mit Sarah Westland geführt, aber er hatte gemerkt, dass ihr Kummer sie zu überwäl­tigen begann. Sie war sehr geschäftsmäßig und gefasst gewesen, doch durch ihre Stimme zog sich eine gewisse Anspannung wie eine straffe Schnur.
    Durch den Kummer war ihr Bedarf an Luxus allerdings nicht gedämpft worden. Fabel hatte sich mit ihr in ihrem Hotel verab­redet. Es war eines der teuersten Hamburgs mit einer Aussicht auf die Binnenalster. Sarah Westland hatte eine Suite im obers­ten Stockwerk gemietet, und als Fabel an die Tür klopfte, wurde sie zu seiner Überraschung von Martina Schilmann geöffnet.
    »Hallo, mein Lieber«, sagte sie mit einem spitzbübischen Lächeln. Sie trat auf den Korridor und zog die Tür hinter

Weitere Kostenlose Bücher