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Jan Fabel 05 - Walküre

Titel: Jan Fabel 05 - Walküre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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Stasi und die Hauptverwaltung Aufklärung.«
    Am anderen Ende der Leitung herrschte Stille.
    »Hallo?«, rief Sylvie.
    »Wenn Sie glauben würden, dass ich Witze mache oder Ihnen Unsinn erzähle, hätten Sie inzwischen aufgelegt. Aber das haben Sie nicht getan, weil Sie wissen, dass ich die Wahr­heit sage. Ich verlange zweihundertfünfzigtausend Euro. Wenn ich sie nicht bekomme, werde ich meine Informationen an einen anderen Sender oder an die Presse weitergeben. Und an die Polizei. Sie haben Ihre Karriere auf den Engel-Morden auf­gebaut, Frau Achtenhagen. Wollen Sie wirklich, dass jemand anders Sie übertrumpft? Ich melde mich in zwei Tagen wieder. Bis dahin schicke ich Ihnen eine Vorleistung. Sehen Sie sich Ihre E-Mails an.«
    Dann brach die Verbindung ab.
    Sylvie Achtenhagen legte den Hörer auf und betrachtete ihn, als könne er ihr Antworten liefern. Sie ging an ihren Com­puter und öffnete ihre Büro-E-Mails. Dort fand sie mehrere neue Nachrichten vor, doch alle waren entweder interner Art oder bezogen sich auf ihre Arbeit. Nichts stammte von einem anonymen Absender. Sie wartete zehn Minuten und versuchte es erneut. Immer noch nichts. Ob er vielleicht ihre private E-Mail-Adresse benutzt hatte? Sie verwarf den Gedanken so­fort, denn nur ein paar Freunde und Kollegen kannten sie. Aber es schadete nicht, sich zu vergewissern.
    Da war sie: eine Nachricht von »Siegfried«.
    Zwar gab es die Möglichkeit, Absender von E-Mails mithilfe ihrer IP-Adresse aufzufinden, doch Sylvie Achtenhagen war sich sicher, dass »Siegfried« als ehemaliger Stasi-Mitarbei­ter wusste, wie man seine Spuren verwischte. Das kostenlose E-Mail-Konto mochte sonstwo eingerichtet und die Nachricht von einem Internetcafe oder einem WiFi-Hotspot abgesandt worden sein. Sie öffnete die Mail, die nur einen einzelnen Na­men enthielt: Georg Drescher. Es gab auch einen Anhang, den sie ebenfalls öffnete: drei Farbfotos, die nebeneinander einge­scannt waren. Untertitel fehlten. Es waren Frontalaufnahmen von drei Mädchen, deren Alter sie auf fünfzehn bis zwanzig Jahre schätzte. Offenbar handelte es sich um Passbilder. Die Frisur des einen Mädchens wies daraufhin, dass die Fotos mehr als zwanzig Jahre alt waren. Zwei der Porträtierten waren blond, die dritte brünett mit auffallenden blauen Augen. Ihre Gesich­ter hatten etwas Beunruhigendes an sich: eine erschreckende Leere. Dies war nicht nur die übliche Ausdruckslosigkeit von Passfotos. Die Augen wirkten tot. Emotionslos. Besonders die des Mädchens in der Mitte. Sylvie hatte das Gefühl, dass sich ihr der Magen umdrehte.
    »Siegfried« hatte ihr mitgeteilt, dass eines der Mädchen der Engel von St. Pauli sei. Und während ihr Blick von einem leeren Gesicht zum anderen glitt, wusste sie, dass er die Wahrheit ge­sagt hatte.
     

11.
     
    Emily würde bald da sein. Dann würde alles in seinem Leben wieder einen Sinn erhalten. Peter Claasens hatte Frauen nie ver­standen. Und er hatte es auch nie wirklich versucht, einfach weil er es als zu mühsam empfand.
    Er war seit fünfzehn Jahren verheiratet und hatte drei Kin­der, zwei davon Töchter; doch die weibliche Welt blieb ein dunkler Kontinent für ihn. Auch seine Frau war ihm weiterhin ein Rätsel. Sie hatte sich aus dem hübschen, stillen, bescheide­nen Mädchen, das er unabsichtlich geschwängert hatte, in ein zänkisches Weib verwandelt, das wegen jedes Abends an ihm herumnörgelte, den er, aus geschäftlichen oder anderen Grün­den, nicht zu Hause verbrachte. Claasens musste allerdings wi­derwillig zugeben, dass das Verhalten seiner Frau nicht unge­rechtfertigt war. In den anderthalb Jahrzehnten ihrer Ehe war er unablässig fremdgegangen. Allerdings hatte er - und darauf war er stolz - auf Diskretion und Takt geachtet. Seine Frau mochte einen Verdacht hegen, aber mehr nicht. Er war nie so fahrlässig gewesen, ihr konkrete Beweise zu liefern. Andererseits genügte schon sein Aussehen, um Verdacht aufkommen zu lassen.
    Dieser Umstand hatte Claasens stets in Erstaunen versetzt: Warum sahen manche Menschen attraktiver aus als andere? Be­gehrenswerter? Er war ein intelligenter Mann. Ein sehr intelli­genter Mann. Er hatte einen scharfen Verstand und war ein ge­borener Unternehmer. Ein Raubtier der Geschäftswelt. Aber den meisten fiel es schwer, sich nicht von seiner Erscheinung beeinflussen zu lassen. Im Geschäftsleben grollten ihm andere Männer entweder, oder sie wollten mit ihm gesehen werden, während Frauen ihm gegenüber

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