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Jan Fabel 05 - Walküre

Titel: Jan Fabel 05 - Walküre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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verschleierten sich ein wenig.
    »Sie haben am Abend des Konzerts mit ihm telefoniert. Hat er Ihnen etwas Ungewöhnliches mitgeteilt? War von einem ihn bedrückenden Ereignis oder Menschen die Rede?«
    »Nein. Wir haben nur über das Konzert gesprochen. Außer­dem über die Kinder und ein paar Dinge, die wir nach seiner Rückkehr organisieren wollten.« Sarah Westlands Antwort war unkompliziert, doch ihr Gesichtsausdruck schien auf noch etwas anderes hinzudeuten. Fabel beschloss, später auf das Te­lefonat zurückzukommen.
    »Was wissen Sie über die Wohltätigkeitsorganisation, die Mr. Westland unterstützt hat? Über die Sabinerinnen-Stif­tung?«
    »Jake hat sich für eine Menge Wohlfahrtsverbände enga­giert, Herr Fabel. Ich habe ihm bei der Verteilung seiner Spenden geholfen. Sie waren einer großen Zahl von Problemen gewidmet, aber drei Organisationen lagen ihm besonders am Herzen: eine im Vereinigten Königreich für die Opfer sexueller Nötigung und eine für die psychologische Betreuung der Kin­der von vergewaltigten Frauen in Bosnien. Und natürlich hat er sehr eng mit der Leitung der Sabinerinnen hier in Hamburg zu­sammengearbeitet.«
    »Mit Petra Meissner?«, fragte Fabel.
    Sarah Westland betrachtete ihn mit matter Miene. »Ja, mit Petra Meissner. Ihre Zusammenarbeit war so eng, dass die britische Presse Mutmaßungen über ihre Beziehung anstellte, weshalb Sie wahrscheinlich ihren Namen genannt haben. Ich bin nicht naiv, Herr Fabel, sondern mir ist nur zu bewusst, dass es andere Frauen gab; dass Jake Affären hatte. Aber die wa­ren ...« - sie suchte nach dem richtigen Wort - »... unbedeu­tend. Trotz seines Rufes als Schürzenjäger konnte Jake Frauen eigentlich nie verstehen. Auch mich nicht. Seine Einstellung war ziemlich unkompliziert: Er teilte uns Frauen in Kategorien ein, und Petra Meissner gehörte für ihn zur Kategorie reines Geschäft. Jake hätte sich nie mit einer Frau mit einer so wich­tigen Funktion eingelassen. Und sie spielte tatsächlich eine wichtige Rolle, denn er war ausschließlich wegen der Sabine­rinnen-Stiftung hier ... Seine ganze Deutschlandtournee war zur Finanzierung des einen Ereignisses in Hamburg arrangiert worden.«
    »Warum? Ich meine, warum war das so vorrangig für Mr. Westland?«
    »Gibt es hier ein Gesetz, das Adoptivkindern das Recht ge­währt, sich über ihre leibliche Herkunft zu informieren?«
    »Ja ...« Fabel war verwirrt über den plötzlichen Themen­wechsel. »Ja, das gibt es. Adoptivkinder haben dieses gesetzlich garantierte Recht.«
    »In Großbritannien erhält man das Recht erst im Erwachse­nenalter: mit sechzehn Jahren. Wussten Sie, dass Jake adoptiert wurde?«
    »Ja.«
    »Er hatte eine sehr enge Beziehung zu seinen Adoptiveltern, besonders zu seiner Mutter. Jake dachte, dass es eine Kränkung für sie wäre, wenn er nach seinen leiblichen Eltern Ausschau hielte. Deshalb tat er es erst nach ihrem Tod. Seine Mutter starb vor drei Jahren, und Jake verwandte plötzlich drei Monate sei­nes Lebens darauf, seine leibliche Mutter ausfindig zu machen. Als es ihm gelang, wurde ihm mitgeteilt, dass sie sich nicht mit ihm treffen wolle. Sie war über siebzig Jahre alt und wohnte in Manchester. Walisische Wurzeln.« Sie lachte leise. »Jake er­staunte es, dass er halber Waliser war. Er hatte sich immer für einen hundertprozentigen Engländer gehalten. Jedenfalls gab Jake nicht auf. Er wusste, dass Unehelichkeit in den frühen Fünfzigerjahren ein großes Stigma bedeutete, aber er sehnte sich danach, sie kennenzulernen. Deshalb ging er einfach zu ih­rem Haus und klopfte an die Tür.«
    »Was ist passiert?«
    »Sie spuckte ihn an. Diese gutbürgerliche, elegant gekleidete siebzigjährige Witwe spuckte ihn an. Dann schlug sie ihm die Tür vor der Nase zu. Er hat mir erzählt, wie er mit Spucke im Gesicht in ihrem sorgfältig gepflegten Vorstadtgarten stand.
    Er war so erschüttert, dass er einen Privatdetektiv anheu­erte. Als der Mann ihm Bericht erstattete, war Jake am Bo­den zerstört. Er hatte sich nämlich eine melodramatische Ge­schichte ausgemalt: dass er durch einen Akt verbotener Liebe in einer grausamen, unversöhnlichen Zeit gezeugt worden sei. Es stimmte, dass die Zeit grausam und unversöhnlich gewesen war, aber er verdankte sein Leben einer Vergewaltigung. Seine leib­liche Mutter war als Teenager in einem Park von einem Frem­den überfallen worden. Die Polizei fasste ihn nie, und seien wir ehrlich, damals wurde das Vergewaltigungsopfer

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